Cover: Pokémon X & Pokémon Y17 Jahre auf derselben Route
Vor 17 Jahren begann mit Pokémon Rot, Grün und Blau eine Videospielgeschichte, die ihresgleichen sucht. Obwohl man damals bei Game Freak selbst nicht wirklich an den Erfolg des Monster-RPGs glaubte, entpuppte sich die Sammelhatz vom Start an als Kassenschlager. Das Ganze beruht übrigens auf dem Kindheitshobby des Geistigen Vaters der Serie, Satoshi Tajiri. Dieser sammelte für sein Leben gern Insekten. Aber das nur am Rande.

In 17 Jahren kann sich viel verändert, möchte man meinen. Aber ehrlich gesagt grenzt es an Parodie im Zusammenhang mit Pokémon von Innovation zu sprechen. Seit jeher blickt man aus der isometrischen Vogelperspektive hinab auf den Protagonisten. Dieser macht es sich jedes Mal aufs Neue zur Lebensaufgabe, der beste Pokémon-Trainer der Welt zu werden, indem er mit seinem Team aus sechs Pokémon in heißen RPG-Gefechten erst die acht Arenaleiter und zuletzt die Pokémon-Liga und den Champion besiegt. Quasi nebenbei muss immer wieder der Pokédex gefüllt werden, indem alle Pokémon gefangen werden. Auf dem Weg zu diesem Ziel spricht der Spieler mit jeder Person, trifft im hohen Gras auf wilde Pokémon, ärgert sich mit einem Rivalen herum und deckt die üblen Machenschaften einer kriminellen Organisation auf. Dabei kreuzen sich zwangsläufig die Wege des Protagonisten mit denen von Legendären Pokémon. Auch bei Pokémon X und Y ändert nichts an diesen in Stein gravierten Gesetzen. Ein Blick auf die Top-Wertungen die die Fachpresse vergangenen Pokémon-Generationen zugesprochen hat und auf die Verkaufszahlen verrät, dass die Spieler sich nicht nach Neuem gesehnt zu haben scheinen. Und doch stehen die Zeichen mit der sechsten Pokémon-Generation auf Veränderung!

Alles neu in Kalos?
Nach Kanto, Jotho, Hoenn, Sinnoh und Einall geht die Reise diesmal durch die Region Kalos. Das Land mit seinen vielen Wiesen und Wäldern ist angelehnt an die Umgebung von Paris. Dabei ist Ilumia-City im Zentrum von Kalos das Äquivalent zu Paris. Wie im wahren Frankreich ist die Stadt sowohl das geografische als auch wirtschaftliche Zentrum der Region.
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Schon in der ersten Spielsekunde sticht eine prägnante Veränderung im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge. Der springende Punkt ist die Technik, die Hand in Hand geht mit einer überarbeiteten Präsentation. Lange sträubte man sich bei Game Freak gegen eine Veränderung der Optik der Serie. So kann man mit Fug und Recht behaupten, dass der Sprung von Schwarz-Weiß zu Bunt diesbezüglich die bisher größte Neuerung war. Das ist verdammt lang her! Nun aber erstrahlen Pokémon X und Y in einer neuen 3D-Optik. Vorbei ist die Zeit, als man zu jedem Zeitpunkt von oben auf das zweidimensionale geschehen herabblickte. In Kombination mit der vielerorts dynamischen Kameraführung wirkt die Oberwelt lebendig wie nie zuvor. Natürlich erstrahlt auch das Kampfgeschehen dreidimensional. Pikachu und Co. vermöbeln sich nun auch auf dem Handheld in polygonaler Darstellung. Und auch hier bringen flotte Kamerafahrten Leben ins Geschehen. Kundigen Pokémon-Veteranen wird vielleicht auffallen, dass einige der 3D-Modelle der älteren Sammelmonster weder aus den vergangenen Wii- oder Gamecube-Spielen noch aus der 3DS-Software Pokédex 3D stammen. Folglich wurden sie abermals neu gestaltet. Allesamt teilen sie sich den neuen Comic-Look. Dieser erinnert an The Legend Of Zelda The Wind Waker und steht auch den Pokémon gut zu Gesicht. Das spricht für Liebe zum Detail. Und für Details ist die Pokémon-Serie seit jeher bekannt. Wer nun befürchtet hatte, dieser Aspekt könnte unter der optischen Neuaufmachung schwinden, der sei beruhigt. Das neue Antlitz von Pokémon kann sich wirklich sehen lassen und hat keine Feinheiten eingebüßt.
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Die Story, die dem alten Muster um eine zwielichtige Organisation mit großspurigen Zielen folgt, wird diesmal mit Zwischensequenzen vorangetragen. Das wirkt dynamischer als je zuvor in einem Pokémon-Spiel. Man darf jedoch nicht vergessen, dass so etwas bei der RPG-Konkurrenz schon seit langem zum Standard gehört. Game Freak zieht nun nach macht das Zugpferd zeitgemäß. Recht altbackend war auch die Fortbewegung auf der Oberwelt. Es war 16 Jahre lang grundsätzlich nur möglich, sich in vier Richtungen und Feld für Feld zu bewegen. Flüssiger wirkt das überarbeitete Konzept. Man kann sich nun frei 360° bewegen. Das ganze läuft in vier unterschiedlichen Fortbewegungsgeschwindigkeiten statt. Da wären die Fortbewegung zu Fuß, die bekannten Turbotreter, also das schnelle Laufen und das serientypische Fahrrad. Neu hinzukommen die Rollerskates, die automatisch Verwendung finden, wenn das Schiebe-Pad benutzt wird. Damit kommt man schnell voran und man kann einigen Stellen kleine Tricks ausführen.
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Eine kleine, feine Nebensächlichkeit ist die erfreuliche Tatsache, dass sich das Aussehen des Spielcharakters, wahlweise Junge oder Mädchen, und dessen Bekleidung und Frisur verändern lassen. Im Spielverlauf finden sich auch immer wieder Boutiquen, in denen man sich neu einkleiden kann.
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Vermutlich am meisten relevant sind die deutlichen Veränderungen im Kampsystem. Allen voran der neue, 18. Pokémon-Typ Fee. Ursprünglich gab es 15 Elementklassen in diesem Kampfsystem. Vereinfacht kann man sagen, diese stehen sich in einem Schere-Stein-Papier-System gegenüber, in dem ein Typ den anderen schlägt. So ist Feuer effektiv gegen Pflanze, zieht aber den Kürzeren gegen den Typ Wasser. Schon mit Generation Zwei, also Pokémon Gold und Silber stießen die Pokémon-Typen Stahl und Unlicht dazu. Diese implementierte sich im Laufe der Jahre in das ausgeglichene Kampfsystem. Attacken vom Typ Fee sind sehr effektiv gegen Pokémon vom Typ Drachen. Diese waren in der Vergangenheit nur schwer zu schlagen. Dem Balancing kommen die Feen also zugute. Zu dessen Gunsten wurden auch weitere Modifikationen vorgenommen. So sind Pokémon vom Typ Stahl, die als übermäßig Robust galten, nicht länger resistent gegen Attacken der Typen Geist und Unlicht.
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Mit jeder Generation kommen auch neue Pokémon hinzu. Pokémon X und Y bringen etwa 70 neue Sammelmonster mit. Rein subjektiv möchte ich werten, dass diese mir optisch größtenteils gut gefallen. Mein neuer Favorit ist der Feuerlöwe Leufeo. Aber davon muss sich jeder ein eigenes Bild machen. Tatsache ist jedoch, dass die neuen Taschenmonster mit nie dagewesenen Typenkombination und damit einhergehenden Schwächen und Resistenzen dem Kampsystem einen neuen Twist geben. In Kalos trifft man übrigens wieder auf Pokémon aller Generationen. Dies unterscheidet sich von dem Konzept von Pokémon Schwarz und Weiß, dass vorsah, dass man im Verlauf des Abenteuers ausschließlich auf neue Pokémon trifft.
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Komplett neu sind auch die sogenannten "Mega-Entwicklungen". Normalerweise können Pokémon sich bis zu zweimal entwickeln. Sei es durch Levelaufstieg oder das Erfüllen anderer Voraussetzungen, so verweilen sie danach jedoch für immer in der neuen, stärkeren Form. Ist der Trainer im Besitz von ganz bestimmten Steinen, kann er damit einige bereits voll entwickelte Pokémon, wie zum Beispiel Glurak, im Kampf weiterentwickeln, womit ihre Stärke für die Dauer des Kampfes abermals zunimmt. In einigen Fällen ändern sich auch Elementklasse und Fähigkeiten der Wesen durch eine Mega-Entwicklung. Sie befinden sich dann auf einer Ebene mit den wirklich mächtigen, legendären Pokémon. Dieses Feature ist cool und lockert das Kampfgeschehen auf, zugleich ist es aber auch aufgesetzt. Denn für den Abschluss der Story sind die Mega-Entwicklungen nicht unbedingt von Nöten. Es bleibt abzuwarten, auf welche Weise sie ihre Wirkung auf Strategien menschlicher Spieler auswirken. Das wird sich bei offiziellen Turnieren zeigen.
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Kurz hingewiesen sei auch auf die neuen Massenbegegnungen und Luftkämpfe. Massenbegegnung sind Zufallskämpfe im hohen Gras, bei dem es euer Pokémon mit bis zu fünf Gegnern gleichzeitig zu tun bekommt. Diese sind aber anhand des Levels meist viel schwächer als die üblichen wilden Pokémon. Bei den Luftkämpfen handelt es sich um eine Kampfvariante, an der lediglich Pokémon teilnehmen können, die entweder fliegen können oder über die Fähigkeit Schwebe verfügen. Beide Variationen lockern das geschehen gekonnt auf.
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Es scheint fast, als besinne man sich bei Game Freak auf die Werbung neuer Spieler. Denn man hat daran gearbeitet, die neuen Editionen einsteigerfreundlicher zu gestalten. Die ansprechendere Optik ist dabei nur der Anfang. Auch die Menüführung, die bei einem RPG sehr großen Spieleinfluss hat, wurde überarbeitet. Items und Pokémon verwalten sich nun selbstverständlich wie nie. Auch das Interface in den Kämpfen wurde einer Verjüngungskur unterzogen.
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Bisher gab das richtige Training der Schützlinge so manchem angehenden Profi-Trainer Rätsel auf. Denn seit Pokémon Rubin und Saphir spielt sich hinter der Kulisse des reinen Auflevelns anhand von gesammelten Erfahrungspunkten noch ein weiteres Punktesystem ab. Unsichtbar für das Auge des Spielers beeinflusst es seither die Entwicklung der Statuswerte des Teams. Kurz kann man sagen, dass sich die Werte eines Pokémon in Abhängigkeit von den Gegnern, die es besiegt, entwickeln. Dieses System basiert auf sogenannten "Fleißpunkten", deren Existenz lange von Game Freak geheim gehalten wurde. Profis machen sie sich jedoch seit geraumer Zeit zunutze, um das eigene Team optimal zu trainieren. Klingt kompliziert? Ist es auch! Anfänger guckten dabei in die Röhre. Mit Pokémon X und Y werden diese Fleißpunkte nun erstmals sichtbar. Gleichzeitig lassen sie sich in einem Minispiel, dem "Supertraining" direkt beeinflussen. Beim Supertraining dienen riesige Ballons in Form von Pokémon als Sparringspartner. Diese müssen innerhalb eines Zeitlimits zielgenau mit Fußbällen beschossen werden...
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Das hat nicht wirklich mit der Sache zu tun. Es kann eine Abwechslung darstellen, ist jedoch kein Muss sondern optional. Das Supertraining ist eine von drei wesentlichen Spielelementen, die neu eigeführt wurden und jederzeit über den Touchscreen ausgewählt werden können. Damit wird auch die 3DS-typische Hardware nun besser genutzt. An zweiter Stelle steht das PokéMonAmi. Das könnt Ihr Euch vorstellen wie ein Tamagotchi. Man kann jedes Pokémon im Team füttern, es streicheln, mit ihm Minispiele spielen und sogar Fratzen schneiden, wenn man will. Wer sich auf diese Weise viel mit den Sammelmonstern beschäftigt, darf Effekte im Kampf erwarten. So heilen sich die Schützlinge manchmal selbst von Paralyse, weichen Attacken häufiger aus und werfen von Zeit zu Zeit einen Blick nach hinten Richtung Trainer.
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Das letzte Feature im Bunde ist zugleich das, das der Einsteigerfreundlichkeit am zuträglichsten ist: Das Player Search System (PSS). Es vereint alle Konnektivitätsoptionen übersichtlich auf dem Touchscreen. Egal ob Tausch, Kampf oder eine der anderen Verbindungsmöglichkeiten, die der Titel bietet, auf alles lässt sich direkt zugreifen. Lokal und über das Nintendo-Network. Das ist ein wichtiger Schritt, der schon viel früher in der langen Historie hätte getan werden müssen. Schon immer ist Pokémon bekannt für die vielen Verbindungsmöglichkeiten. Damals revolutionär war bereits die Entscheidung, mit Pokémon Rot und Blau zwei Editionen desselben Spiels zu veröffentlichen, damit man via Linkkabel die Sammelmonster hin- und hertauschen muss. Ein wesentlicher Beitrag zum Sammelrausch, an dem sich bis heute nichts verändert hat.
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Doch mit der Zeit kamen immer mehr Möglichkeiten hinzu, sich mit dem Internet oder anderen Spielern zu verbinden. Konnex-Club, Spielsynchro, Geheimgeschehen, Kontaktebene und das Hautnahturnier sind nur einige Begriffe, die mit den Generationen zunehmend ins Spiel traten und mehr oder minder für Verwirrung sorgten. Zudem waren die Zugriffsmöglichkeiten auf diese Services immer über die ganze Oberwelt verteilt. Man verlor zwangsläufig den Überblick über all die Möglichkeiten. Das PSS sorgt endlich für die nötige Struktur. So integrieren sich auch abermals neue Möglichkeiten wie der Wundertausch, bei dem man ein Pokémon von einem zufällig ausgewählten Trainer irgendwo auf der Welt im Tausch für ein eigenes erhält, gut in den Spielfluss. Nintendo stellt in Aussicht, in naher Zukunft einen kostenpflichtigen Service zu bieten, mit dem man online eine Großzahl von Pokémon speichern kann. Die Pokémon Bank. Auf diesem Wege wird es auch möglich sein, Pokémon aus den Editionen der fünften Generation zu übertragen. Sie wird vielleicht in das PSS integriert werden, aber das ist nur eine wilde Vermutung.
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Fazit
Im Grunde hat sich auch diesmal nichts am grundsätzlichen Prinzip Pokémon verändert. Das wesentliche Spielelement sind die Kämpfe und diese wurden hier und da um einige Kleinigkeiten ergänzt. Weniger als ich dachte, werden sie beeinflusst durch den neuen Typ Fee und die Mega-Entwicklungen. Für mich persönlich ist die größte Neuerung die schicke 3D-Optik. Auch hier ist aber deutlich, dass man sich so ganz nicht von alten Strukturen lösen mag.
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Pokémon X und Pokémon Y sind somit keine Revolution der Serien. Sie wird nur endlich auch technisch zeitgemäß und sehr viel einsteigerfreundlicher. Und abermals zeigen Wertungen und Verkaufszahlen eines ganz klar: Was schon gut ist, muss man nicht unbedingt groß verändern!
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Der größte Kritikpunkt bleibt der kürzlich bekannt gewordene Bug, der den Spielstand von Pokémon X und Y löschen kann, wenn das Spiel an bestimmten Stellen in Ilumia City gespeichert wird. Man muss Nintendo aber zugutehalten, dass ein entsprechender Patch bereits angekündigt wurde.
«Jojo» Singleplayer: 94%
Multiplayer: 94%


Verfasst von «Jojo» am 30.10.2013,
bemustert durch Nintendo
für bis zu 4 Person/en
Release am 12.10.2013