Cover: Crimson ShroudROLLENSPIELABEND
Ich weiss nicht, ob das heute noch viel gemacht wird, aber als ich noch zur Schule ging, hatten wir ein-, zweimal die Woche einen Rollenspielabend; und dann wurde Shadowrun gespielt - ob ich meinen alten Decker-Zettel noch irgendwo rumliegen habe? Naja, wie das so war, saß man bei Tisch und spielte seine Rolle und praktisch alle Begebenheiten, vor allem Kämpfe und Verhandlungsgespräche basierten auf den Statuswerten der Charaktere und im Besonderem auf Würfelglück. Ein weiteres wichtiges Element ist das, was wir immer "Der Master" nannten. Die Person, die die aktuelle Geschichte erzählte und alle NPCs verkörperte, bzw. auch erklärte, was man gerade sieht, wer was tut...

Ich hatte schon fast vergessen, dass ich mal Shadowrun gespielt habe, bis Crimson Shroud mich daran erinnerte. Ich meine, es gab und gibt in meiner Zockerlaufbahn eine Menge RPGs und Dungeon-Crawler, aber keines, bei dem man WIRKLICH würfeln muss, und bei dem das Würfelergebnis eine Situation mitentscheidet. Und auch einen Master gibt es, der die Geschehnisse so erzählt, als würde man nicht selbst spielen, sondern wäre nur anwesend.

PEN, DICE & PAPER
Crimson Shroud gibt sich alle Mühe, das Gefühl, als säße man bei Tisch und bekäme eine echte "Pen, Dice & Paper"-Story vermittelt. Denn in der Gestalt des Trios bestehend aus Giauque, Frea und Lippi. Giauque ist der Protagonist, wenn man so will, und ein echter Hau-Drauf-Typ. Frea ist das ganze Gegenteil. Sie ist zierlich und eine große Magierin - bzw. sie wird im Verlauf des Spiels. Lippi ist Bogenschütze und sozusagen ein Seher, das heisst, durch ihn werden beispielsweise Feinde erspäht.
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Über eine Karte wird navigiert, wohin gegangen wird und wenn es notwendig wird, weil man etwa auf Feinde stößt, wird gewürfelt (mit Stylus die Würfel berühren, und eine Wischbewegung auf dem Touchscreen machen) - woraus sich ergibt, wie erfolgreich Angriff oder Verteidigung auf beiden Seiten sein werden. Natürlich sind hierfür auch die Statuswerte aller beteiligten Charaktere zu berücksichtigen. So kann selbst der stärkste Zauber wenig Schaden anrichten, oder die denkbar schlechteste Position für einen Hieb mit der Waffe kann dennoch ein sehr brauchbares Resultat erzielen. Nach dem Wurf wird entschieden, was man tun möchte. Waffe nutzen, ein Item nutzen, einen Zauber wirken... Auch bei den Zaubern gibt eine nicht geringe Auswahl an Möglichkeiten. Einige erhöhen Angriff, andere senken die Verteidigung bei den Gegnern, manche lassen fiese Blitze zucken, manche können heilen.
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Und so ziehen die drei Helden durch das Abenteuer, während der Master erklärt, was geschieht - immer mit einer gewissen Distinguiertheit in seinem antiquierten Vokabular. Hat man das Spielsystem einmal verstanden und sich an die "Bei Tisch ein RPG spielen"-Atmosphäre gewöhnt, kommt Crimson Shroud super rüber, aber bis dahin ist ein unnötig steiniger Weg, weil das Game sich praktisch nicht selbst erklärt.
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UNGUTE SITUATIONEN
Es beginnt mit einer Introsequenz, welche den Hintergrund des Abenteuers erzählt, und die man geduldig ertragen muss, weil man sie nicht wegdrücken oder beschleunigen kann. Und plötzlich ist man mitten in seinem ersten Kampf und soll würfeln, dann eine Aktion wählen und erhält Schaden oder teilt ihn aus. Auch die Menüs sind zuerst etwas umständlich und sogar verwirrend. Eigentlich ist alles logisch gegliedert, doch bemerkt man das nicht sofort, und man muss sich erstmal zurecht finden, damit man nichts falsch macht, denn passt man nicht auf, hat man schnell auch mal eine Aktion bestätigt, die weniger gut für das Trio ausgehen kann.
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Als wäre es nicht eh schon schwer genug, überhaupt vorwärts zu kommen - Crimson Shroud ist nämlich nicht gerade mit einem zimperlichen Schwierigkeitsgrad gesegnet; vor allem wegen der Würfel, die manches Mal so fallen, dass eine ohnehin ungute Situation so richtig schön mies verlaufen kann - andersrum passiert es zwar auch, aber das, wie zu erwarten, leider eher selten.
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Aber dafür hat man alle Zeit der Welt, seine Wahlen und Entscheidungen zu treffen, weil Zeit keine Rolle spielt. Nichts drängt, nichts drängelt - was auch wichtig ist, denn es gilt häufig eine ganze Menge zu berücksichtigen, bevor man einfach so irgendetwas auswählt. Es gibt eine große Anzahl strategischer Komponenten, einen Kampf zu gewinnen, bzw. darauf zu achten, ihn nicht zu verlieren, auch wenn es ab und zu so scheint, dass man ihn sowieso nicht verlieren könne.
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Ein besonders wichtiger Faktor dabei ist die Ausrüstung. Sie kann nicht gekauft oder verkauft werden - und auch gibt es kein Level-up-System. Somit werden Vor- und Nachteile eines Charakters gerade durch das, was er bei sich trägt, bestimmt. Es gibt während des Abenteuers jede Menge Rüstungen, Waffen und so weiter, die man dann anlegen kann oder nicht - nur in welcher Kombination ist die Frage, die man sich selbst beantworten muss, weil man nicht unendlich viel Krams mit sich herumtragen kann, um je nach Situation einfach beliebig das Equipment zu wechseln.
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Schade ist allerdings, dass das Spiel auch von sich selbst zu denken scheint, dass Zeit unwichtig ist, denn die erwähnte Introsequenz, die sich nicht wegdrücken oder überspringen lässt, ist nicht das Einzige, das man mit viel Geduld ertragen muss. Praktisch alle In-Game-Texte müssen Stück für Stück weggedrückt werden. Und wie man sich denken kann, gibt einen quasi unendlichen Haufen davon, denn der Master plappert und plappert und plappert.
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Das ist eigentlich auch der einzig echte Kritikpunkt an Crimson Shroud, wie ich meine. Der Titel spielt sich durch die Laberei mitunter etwas langatmig. Denn da man ja sowieso durch die Würfel, sorgfältige Entscheidungen und ähnliche Dinge verhältnismäßig gemächlich voranschreitet, möchte man dem Master oft gern mal den Stecker ziehen, damit man einfach so ungebremst wie möglich weiterspielen kann.
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TECHNIK
Grafik und Sound sind vollkommen passend, obwohl die Musik nicht selten sehr treibend wird, was bei Kämpfen permanent den Eindruck erweckt, man wäre in einer äußerst brenzligen Situation, und somit unnötig stresst - darum habe ich die Musik in den Optionen sehr in den Hintergrund geregelt, denn bei einem schönen Ründchen Videospiel mit viel taktischer Überlegung will ich nicht dauernd auch noch das Gefühl haben, es gehe um mein eigenes Leben.
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Leider bieten die Optionen keine Möglichkeit, den Text des Masters - und somit die Texte im gesamten Spiel - in anderen Sprachen als Japanisch oder Englisch erscheinen zu lassen; gerade dann, wenn man kein Japanisch und kein Englisch kann, macht das die Dauer-Warterei, dass er doch bitte endlich einmal fertig geredet haben soll, besonders ärgerlich. Nicht nur, dass man viel wartet, man versteht nicht mal, was genau da gerade erklärt wird.
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FAZIT
Das alleinige Manko an Crimson Shroud: Des Masters epische Ergüsse. Wer also mal wieder für ca. 12-15 Stunden in die seligen Zeiten seiner Rollenspiel-bei-Tisch-Momente reisen will, kann das für die knapp 8€ sehr gern tun; sollte sich aber darauf gefasst machen, dass man sich ab und an die Zähne an manchen Kämpfen ausbeißt.
Jörg Singleplayer: 80%

Verfasst von Jörg am 16.12.2013,
bemustert durch Cosmocover
für bis zu 1 Person/en
Release am 13.12.2012