Cover: Urban Trial Freestyle 2Ich habe in meiner Gamerlaufbahn schon jede Menge Stuntracer gespielt. Angefangen bei Excitebike und Motocross Maniacs in den gaaanz frühen 90ern - jaa, schön war die Zeit. Umso gespannter war ich dann, als Urban Trial Freestyle 2 bei mir eintrudelte. Ich freute mich auf den kleinen Trip zurück in die unbeschwerte Jugend und konnte den eShop-Download nicht abwarten. Endlich war es soweit - ich starte das Spiel...

Den Titelscreen weggedrückt, lande ich im Auswahlmenü. Oben hockt ein übertrieben cool posierender Typ auf einer Parkbank - neben ihm in ein kleines Radio. Unten die Menüpunkte. A) Ich kann mir mein Outfit komplett selbst zusammenstellen, Kopf, Oberkörper, Hände, Beine und Füße lassen sich individuell bekleiden. Allerdings kostet alles nicht gerade wenig - und ich habe ja noch keine Knete auf dem Konto. B) Genauso ist es mit meinem Motorrad, das auf den Werten Max. Geschwindigkeit, Beschleunigung und Fahrverhalten fußt. Es gibt diverse Maschinen, aus denen ich wählen kann, und dazu darf ich immer auch noch das Fahrgestell, den Motor und die Reifen selbst bestimmen. Sofern die Kohle stimmt, denn auch hier kostet alles viel Asche - die ich ja leider noch nicht habe. C) Einstellungen gibt es auch. Musik und Soundeffekte könnten zueinander lauter und leiser gemacht werden, ich kann die Punktzahl einblendenden lassen und so. Das Übliche. D) Ein Streckeneditor ist auch da - hier können, logisch, eigene Strecken zusammengezimmert werden. Und zu guter Letzt E) Ich kann mit einem Rennen beginnen. Na, dann wollen wir mal...

RENNEN FAHREN
Es stehen sechs Gebiete zur Verfügung, von denen aber erstmal nur eines befahrbar ist, der Stadtrand. Der Stadtrand bietet mir 8 Parcourse an, die jeweils mit einer Wertung von 1 bis 5 Sternen abgeschlossen werden können. Allerdings habe ich trotzdem mehrmaligen Versuchens keine Chance, auch nur 4 Sterne auf dem allerersten Track zu ergattern, obwohl der Kommentator mich mehrfach mit einem "Excellent!" belobigt, ich nicht stürze und auch sonst recht flott unterwegs bin und mich immer sehr gut auf dem Bike halte. Na gut, denke ich mir, vielleicht muss ich dazu noch ein besseres Vehikel haben, das ich erst später kaufen kann - kann ja sein.
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Aber schon auf Strecke Nummero 2 gibt es die ersten echten Frustmomente. Manche Schikanen sind so fies platziert, dass man die ersten Male nicht anders kann, als sich bei einem Sturz jeden einzelnen Knochen zu brechen - mit anderen Worten: Ich habe ein Sturzfest par excellence. Und auch mit vielen neuen Anläufen gelingt mir ein fehlerfreies Abschließen einfach nicht. Ich stürze immer wieder mindestens vier- bis fürmal pro Versuch, und einige Passagen gelingen mir offenbar eher zufällig.
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Doch ich gebe selten leicht auf und probiere es wieder und wieder. Mittlerweile habe ich alle Stadtrand-Kurse hinter mir, nirgends eine 5-Sterne-Wertung, aber zumindest schon drei 4-Sterne-Wertungen. Ist ja auch was. Aber ich habe noch was anderes: Frust! Und das leider jede Menge. Ich stürze... stürze... stürze! Ohne, dass ich wirklich was dafür kann. Weil einerseits die Kamera zu nah reinzoomt. Man sieht nicht, was als nächstes kommt. Natürlich prägt sich mit jedem erneuten Spielen der Streckenverlauf ein, aber denn kommt hinzu, dass andererseits viele Schikanen schlicht unfair platziert sind und ich wirklich nur durch Glück den nächsten Checkpoint erlange.
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Leider darf ich das nächste Gebiet aber noch nicht betreten, weil ich im aktuellen Gebiet im Durchschnitt mindestens eine 3-Sterne-Wertung haben muss. Also fahre ich jeden Stadtrand-Track immer wieder, bis es mir endlich gelungen ist, und ich ins Industriebiet darf. Ich muss hier jetzt dazu sagen, dass ich bereits 3 Stunden im Spiel bin, ich locker an die zweihundertmal sehr böse gestürzt bin und meine Laune nicht die beste ist! Ich bin wortwörtlich kurz davor, meinen 3DS XL mit voller Wucht an die Wand zu knallen!
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Woran liegt das? Zuerst am sichtbaren Bildausschnitt, man sieht nicht schnell genug, was vor einem liegt. Dann daran, dass viele Passagen schlicht zu viel Geschick benötigen. Viele Hindernisse sind so eng bemessen beieinander platziert, dass es fast unmöglich ist, sich erst einmal einzufahren. Denn wir sind ja immer noch im ersten Gebiet, und bereits hier geht es richtig, richtig derb zur Sache! Dann kommt hinzu, dass das Bike viel zu viele Hinterradumdrehungen hat. Man gibt mit A Gas, und wenn man am Startpunkt also A drückt, um erstmal nur loszufahren, muss man aufpassen, dass man nicht aus dem Stand einen 720°-Rückwärtssalto fabriziert, und selbst auf ebener Fahrbahn muss man seine Maschine vorsichtig ausbalancieren. So weit, so gut - ist ja auch ein Stuntracer und man soll Geschick beweisen. Aber da es haufenweise Steigungen, Gefälle, Halfpipes und dergleichen mehr gibt - do the math! Als vierten und letzten Punkt muss man noch bedenken, dass alle neuen Bikes, ihre Motoren, Reifen und Fahrgestelle, mächtig ins Geld gehen. Und da man als Anfänger/in also nicht wirklich vorankommt, verdient man nicht genug Geld. Und wenn es irgendwann vielleicht doch mal für ein Satz neuer Reifen langt, machen die keinen nennenswerten Unterschied. Das heißt, um wirklich gutes Equipment zu haben, das einen solchen Unterschied macht, müsste man sich sehr viel Geld "erstunten" - was aber einfach viel zu lange dauert und währenddessen wahnsinnig frustig ist.
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GAMEPLAY VS. LERNKURVE
Alles in allem ist also das Hauptproblem, dass die Lernkurve von Urban Trial Freestyle 2 einfach zu hoch ist! Gleich die ersten Kurse liefern Misserfolg auf Misserfolg und um genug Geld für eine wirklich(!) bessere Rennsemmel, für mehr Kontrolle, Grip und so weiter, kriegt man so dermaßen mühsam zusammen, dass man erstmal mehrere Stunden benötigt, um überhaupt in das Gameplay reinzufinden. Aber bis zu diesem Punkt kam es bei mir nicht mehr!
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Ich trat nämlich irgendwann endlich das erste Rennen im Industriegebiet an - und hab das nach mehreren Versuchen hinbekommen. Aber auf Strecke 2 ging etwa ab der Hälfte gar nichts mehr! Denn nach vielen wirklich coolen 180°-Pipes und Überschlagstunts kam plötzlich eine Pipe, bei der viel Anlauf nötig ist, um einen weiten, sehr weiten Sprung über eine Schlucht voller spitzer Holzpfähle zu schaffen. Aber was ich auch tue, wieviel Gas ich auch gebe, ob ich plötzlich stopp-bremse, ich mein Bike auch in der Luft auf diese oder jene Weise tariere, selbst, wenn ich alte Tracks wieder und wieder absolviere, um Geld für neue Reifen oder einen anderen Motor zu kaufen, es hilft alles nichts. Ich komme einfach nicht auf die andere Seite, sondern lande andauernd in der Schlucht.
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Ich komme nicht weiter, ich hänge fest. Es geht nicht - tut mir leid: Nach neuneinhalb Strecken und dutzenden Neuversuchen ist in Urban Trial Freestyle 2 für mich Game Over! Selbst, wenn ich es in mir hätte und es vielleicht doch noch irgendwann schaffen könnte: Ich habe ganz einfach keine Lust mehr, es noch weiter zu versuchen. Und andere Gebiete spielen darf ich auch noch nicht.
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Im Grunde ist Urban Trial Freestyle 2 eines dieser Games, die wie für mich gemacht sind: Geschick wird verlangt, responsive Steuerung ist gegeben, realistische Physikverhältnisse, herausforderner Schwierigkeitsgrad, schicke Grafik, Musik mit Rockelementen. Wirklich top! Aber das alles wird vermasselt durch das Streckendesign und einen viel zu harten Einstieg, der Erfolge nicht mit "Yeah, ich hab's geschafft!" belohnt, sondern man empfindet mehr so ein "Verdammt nochmal, endlich hab ich's hinter mir, grrrrrr!".
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Es gibt nicht einmal ein Tutorial, das anhand von Übungspassagen erklärt, welche Stunts möglich sind, wie man sie vollführt, worauf machen achten muss, welche Kniffe und Feinheiten zu beachten wären... Geduld und Motivation werden mehr als nur überstrapaziert. Wäre dies bei den letzten zwei Gebieten dar Fall, ok, so soll es sein - man muss für seine Erfolge schwitzen und kämpfen, wenn man sich dem Ende nähert. Aber gleich von Anfang an mit harten Bandage aufzuwarten ist die falsche Taktik. Tolles Gameplay, tolles Look and Feel hin oder her: Die Lernkurve ist derartig steil, no way!
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TECHNIK
Grafik und Sound habe ich bereits vorweggenommen: Sehr gut. Selbiges gilt für Steuerung und Physik: Sehr gut. Der Schwierigkeitsgrad für sich wäre sicherlich passend für erfahrene Gamer/innen, ist meiner Meinung nach aber viel zu hoch, da das Streckendesign zu sehr reingeknallt, und somit einfach nur unfair ist.
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Den Umfang kann ich schlecht bewerten, aber da bereits das erste Gebiet 8 Strecken hat, ist es wohl sicher anzunehmen, dass die übrigen fünf Gebiete ebenfalls je um die 8 Strecken bieten. Was für diesen Preis echt top ist.
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Löblich ist, dass pro Track Highscores gespeichert werden, die sogar automatisch über Internet verglichen werden können. Ebenso können per Streckeneditor selbstgemachte Tracks mit anderen via Internet getauscht werden. Allerdings bekommt man für das Absolvieren von "eigenen Strecken" keine Punkte für sein Profil gutgeschrieben, um so dann einem besseren Bike schneller näher zu kommen.
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FAZIT
Ein Videospiel soll Spaß machen, es soll unterhalten. Irgendwann ist mir das wieder eingefallen und ich hörte umgehend auf, es schon wieder neu zu versuchen! Denn wie soll ich eine "Spielspaß in Prozent"-Wertung abgeben, wenn in meinem Fall von Spaß keine Rede mehr sein kann? Der Schwierigkeitsgrad ist schlicht und ergreifend derartig hoch - und unfair! -, dass ich resigniert das Handtuch warf. Dabei wäre Urban Trial Freestyle 2 ein optimaler Titel in diesem Genre, wäre nur nicht der Schwierigkeitsgrad so derb - alles andere ist so, wie man es sich wünscht, und nur deshalb ist meine Wertung mit 42% auch so hoch ausgefallen.
Jörg Singleplayer: 42%

Verfasst von Jörg am 30.03.2017,
bemustert durch Tate Multimedia
für bis zu 1 Person/en
Release am 30.03.2017