Cover: Darkest Dungeon: Ancestral EditionSTRESS UND TICKS
Im Grunde handelt es sich bei Darkest Dungeon um einen rogue-like Dungeon Crawler. Allerdings geht Darkest Dungeon deutlich über das hierfür typische "Laufe durch Höhlen und wenn du irgendwann drauf gehst, fang einfach von vorne an"-Prinzip hinaus.

Die erste Abweichung besteht bereits darin, dass in unser Dorf regelmäßig Helden und Heldinnen eintreffen, die sich von uns rekrutieren lassen. Stehen sie in unserem Dienst, können wir sie auf die Reise durch Höhlen und Verliese schicken. Wobei immer nur eine Heldengruppe - bestehend aus bis zu vier Helden - aktiv sein kann; alle anderen rekrutierten Helden verbleiben solange im Dorf. Sollte nun ein Held sterben, oder gar die ganze Gruppe, ist das Spiel nicht vorbei und wir beginnen am Anfang, sondern unser gesamter Fortschritt bleibt bestehen - wir schicken lediglich andere Helden auf die Reise.

Allerdings sind diese, sofern sie noch keine Quest für uns erledigten, auf null. Das heißt, keine Erfahrungspunkte, keine verbesserte Ausrüstung, keine gelevelten Fähigkeiten und so weiter. Der Verlust von Helden schmerzt also sehr, weshalb man bemüht ist, auf sie Acht zu geben. Denn alle Ausrüstung und Verbesserungen zahlen wir mit klingender Münze. Zumal erfahrene Helden effektiver und effizienter sind als unerfahrene, und wir diese zuerst wieder ein wenig leveln müssten, bevor wir ihnen schwerere Quests zumuten könnten.
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Die zweite Abweichung besteht darin, dass alle Helden nicht nur gegen Monster kämpfen, sondern auch gegen die Unwillen ihrer Psyche und Körperlichkeit. Anders als in anderen Spielen, bei denen ihr im häufiger mal auf die Lebens- und Mana-Anzeige schaut, aber eure Helden ansonsten furchtlose Recken sind, die niemals Hunger oder Angst empfinden, ist dies bei Darkest Dungeon durchaus der Fall. Hier können Eure Helden nach einiger Zeit in einem Dungeon Hunger empfinden, oder Angst, zum Beispiel aufgrund der Dunkelheit, oder sie werden sehr unvorsichtig, treffen eigenmächtig Entscheidungen, oder oder oder...
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Das liegt vor allem am Stress. Je gestresster ein Held ist, desto anfälliger ist er für dieserlei Gebrechen. Hat ein Held also zum Beispiel Hunger, aber es ist keine Nahrung mehr im Vorrat, steigt sein Stresspegel an. Oder gehen die Fackeln zur Neige und es wird dunkler und dunkler, steigt sein Stresspegel... Ist der Stresspegel auf 100, kommt es zu einem Tick: Paranoia, Masochismus, Klaustrophobie, Unvorsicht, Selbstsucht... Um nur einige zu nennen. Steigt der Stresspegel dann sogar noch weiter, ist ein Herzinfarkt nicht mehr weit - manchmal geht das gerade noch gut, manchmal stirbt der Held dabei auf der Stelle. Um den Stress im Zaum zu halten, gibt es allerdings auch diverse Möglichkeiten: Immer ausreichend Fackeln dabei haben, oder unter den Helden ist jemand mit einer Fähigkeit, die den Stresslevel etwas senken kann, oder oder oder..
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Man hat auch die Möglichkeit, die Reißleine zu ziehen und eine Expedition vorzeitig abzubrechen. Alle bis dahin angesammelten Schätze und Items sind dann gesichert, aber da die Quest nicht abgeschlossen ist, gibt es keine Belohung - und die wäre durchaus üppig. Riskiert man also den Verlust eines oder mehrerer Helden? Oder verzichtet man auf die Belohung? Schwierig, sehr schwierig.
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Aber auch beim Abbruch einer Quest ist der Stresspegel eines Helden nicht sofort auf null gesunken - und seine bis dahin eingehandelten Ticks bleiben ihm auch erhalten. Um diesem Problem Herr zu werden, gibt es gegen den Stress Einrichtungen, wie die Taverne oder das Kloster. Hier können Eure Helden sich bei einigen Bieren entspannen, dem Glücksspiel frönen, beziehungsweise beten oder in sich gehen. Für die Ticks ist das Sanatorium zuständig, welche sich hier häufig behandeln lassen.
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CRAWLING THROUGH THE DUNGEON
Außerhalb der eigentlichen Dungeon-Crawling-Mechanik zeigt sich Darkest Dungeon sehr variabel und komplex. Doch auch das Streifen durch die Höhlen geht über das simple Auswählen von "Angriffen oder Item einsetzen" hinaus. Gerade die Kämpfe, welche wie "Active Time Battle"-System der klassischen Final Fantasys ablaufen, verlangen zu jeder Zeit volle Aufmerksamkeit. Wie ist der Status welches Helden gerade? Wie ist der Status welchen Gegners? Könnte er einen Helden vergiften? Leidet ein Held gerade unter großem Stress?
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Ferner sind die Positionen von Helden und Gegnern im Kampf ausschlaggebend dafür, wie effektiv eine Fähigkeit gegen einen Gegner eingesetzt werden kann, oder ob sie überhaupt eingesetzt werden kann. Je näher dran oder weiter weg ein Gegner von einem Helden wegsteht, ist also neben den vielen zu beachtenden Dingen eine der wichtigsten. Denn wenn man erst seine Position ändern muss, um sinnvoll angreifen zu können, darf man erst bei seinem nächsten Zug wieder agieren. Immerhin ist der Einsatz von Items unbegrenzt erlaubt. Doch im Gegensatz zu beispielsweise Heilzaubern, die fast immer auch auf andere Helden gewirkt werden können, können Items vom gerade zugberechtigten Helden immer nur auf sich selbst angewendet werden.
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Soweit ist das Gameplay von Darkest Dungeon also absolut gelungen. Die Tiefe des Gameplay, die Atmosphäre, geschaffen durch Grafik und Sound, schaffen eine starke Immersion. Im Nu sind Stunden in das Spiel gekloppt worden - und keine davon ist langweilig.
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KOMPLEXITÄT UND ZUSAMMENHANG
Jedoch gelingt es dem Titel nicht, seine Komplexität angemessen zu verdeutlichen und seine Mechaniken zu schilden. Darkest Dungeon bemüht sich durch Textboxen den einen oder anderen Hinweis auf dieses oder jenes zu geben, aber einerseits ist das sehr viel Text, und andererseits bedarf es mehrere Stunden, um zumindest halbwegs zu verstehen, was im Spiel wofür nutze ist, oder was jetzt diese oder jene Anzeige auf dem Bildschirm genau bedeutet. Die Verfügbarkeit von Icons, Menüs, Untermenüs und irgendwelchen sich füllenden oder leerenden Leisten kann bisweilen erschlagend sein.
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In den ersten Stunden hatte ich keine Ahnung, warum meine Helden regelmäßig Herzinfarkte erlitten, plötzlich keine Order von mir annehmen wollten, sondern eigenmächtig handelten, oder lieber auf ihre Mithelden einschlugen, statt auf die Unholde. Oder was sagt eigentlich diese Leiste am oberen Rand aus? Was bedeutet dieser schmale Strich neben der Lebensenergie? Warum kann ich auf einmal diesen Angriff nicht mehr ausführen? Ferner erinnere ich mich nicht, irgendeinen Hinweis gelesen zu haben, die Gebäude im Dorf, also Taverne, Sanatorium und so weiter, mittels der Büsten, Gemälde und so weiter ausbauen zu können... Alles das fand ich erst nach und nach (und zumeist eher zufällig) heraus.
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Hier statt vieler Textboxen ohne echten Zusammenhang, wären mir zwei oder drei Screenshot-Grafiken lieber gewesen, die mit ein paar Pfeilen verdeutlichen, "Das ist die Lebensenergie, das ist der Stresslevel, dieses Icon sagt, dass der Held gerade vergiftet ist "... Das wäre sehr viel schneller verständlich und weit weniger verwirrend. Sicher, erwähnt wird immer mal wieder, es gäbe "Kontextsensitive Hilfe", wenn man die Minus-Taste drücke, aber es ploppt nur eine Dialogbox auf, die rein aus Text besteht und nicht sehr kontextsensitiv ist, da sie schlicht einige Möglichkeiten auflistet, aber nie zum tatsächlichen Kontext erläutert, dass etwa durch Halten von ZL der Ausbau für das aktuelle Gebäude möglich ist, und was dieser Ausbau ermöglicht. Das wird zwar alles hier und dort vereinzelt erwähnt, aber nie im eigentlichen Kontext klar und deutlich erklärt. Und selbst wenn es das würde, es ist viel zu viel Text.
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Und das ist sehr ärgerlich. Denn erst, wenn man das Gameplay verstanden hat, läuft es rund. Weil man nun auf Augenhöhe mit dem Spiel ist - und die vorherige Komplexität wirkt nun viel weniger ausufernd, weil man all die vielen Dinge völlig autark beachtet und bedenkt. Die ersten Quests gemeistert zu haben, zu wissen, warum die Dinge, die gerade passieren, eigentlich passieren, was welche Leiste auf dem Bildschirm bedeutet, das fühlt sich gut an. Jetzt läuft Darkest Dungeon zur Höchstform auf - doch bis dahin ist Frust und Irritation Teil der Erfahrung; bei mir immerhin erstreckte sich dieser Zustand über die ersten 7-8 Stunden.
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TECHNIK
Optisch ist Darkest Dungeon äußerst ansprechend. Zwar ist die Grafik nichts, was CPU oder GPU ernsthaft ins Schwitzen brächte, aber das, was durch das Farbenspiel, sofern man dies bei den häufig eher dunklen, schweren Farben so nennen kann, vermittelt wird, ist sehr dicht. Außerdem ist der handgefertigte Zeichenstil sehr gut und schafft eine coole, wenn auch seltsame Mischung aus Realität und Phantasie.
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Die Musik ist eher so eine Art düsteres Atmoklangbild, passt aber sehr gut zum Gezeigten. In der Standardeinstellung ist die Musik aber zu laut zu hören und überlagert dabei alle anderen Sounds. Justiert man dies aber in den Spieleoptionen, was problemlos möglich ist, ist alles wunderbar.
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Der Spielumfang ist beachtlich. Allein durch die drei Schwierigkeitsstufen - wobei man übrigens schon von der ersten ziemlich hart rangenommen wird! - gibt es viel zu erledigen. Um die grob 45 Stunden pro Stufe darf man gern dafür veranschlagen. Rechnet man aber noch hinzu, dass man nicht einfach nur durch die Story rusht, sondern auch gern hier und da ein paar Extradinge erledigt, können es gut und gerne 80 und mehr Stunden werden. Abermals umfangreicher wird das Ganze durch das Hinzunehmen der DLC-Packs, mit deren Hilfe man easy-peasy die 100-Stunden-Marke durchbrechen wird.
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Steuern kann man Darkest Dungeon auf zwei Wegen. A) Im Handheld-Modus via Touchen auf Befehlsfelder, was super funktionieert... ...sofern man in der Lage ist, die verschiedenen Felder - denn es gibt jede Menge davon! - als solche zu erkennen. Denn oft fehlt es ihnen an beispielsweise einer schmalen Umrandung, die verdeutlichen, dass man hier jetzt nicht nur irgendeinen Text oder eine Grafik sieht, sondern gleichzeitig auch eine Schaltfläche. Es empfiehlt sich also, auf jedem zunächst neuen Screen alles gründlich auf Funktionalität zu checken.
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B) Mit Pro-Controller oder zwei Joy-Cons. Auch hier gilt es zunächst, alle Menüpunkte ausfindig zu machen. Dies geschieht durch, je nach Situation, Auswählen mit dem Steuerkreuz, dem linken oder dem rechten Analogstick, beziehungsweise durch zusätzliches Halten von ZL oder ZR. Hat man den Dreh raus, klappt das alles ganz hervorragend - doch eben diesen Dreh muss man sich durch einige Ausprobiererei erarbeiten.
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FAZIT
Darkest Dungeon ist wahnsinnig gut. Spieltiefe, Umfang und der mal andere Ansatz der Rogue-like-Idee - alles passt grandios zusammen. Lediglich die steile Lernkurve, und zwar nicht nur die des Gameplays, sondern auch die aller Bedienelemente, sind eine echte Hürde. Doch es lohnt sich sehr, diese zu nehmen, und ein wenig im Web zu recherchieren oder Freunde zu fragen, die sich mit dem Game bereits auskennen - denn dann knallt Darkest Dungeon richtig rein. So gesehen würde ich ohne mit der Wimper zu zucken eine Wertung von mindestens 90% geben - würde der Titel sich nur nicht so umständlich und unzureichend erklären.
Jörg Singleplayer: 87%

Verfasst von Jörg am 01.05.2018,
bemustert durch Headup
für bis zu 1 Person/en
Release am 18.01.2018


auch als "Anchestral Edition" erhältlich, jedoch nicht eShop, sondern nur als Modulversion. Es handelt sich im Kern um dasselbe Spiel, das aber um die DLCs "The Crimson Court" und "The Shieldbreaker" ergänzt wurde.