Cover: Dead CellsWer oder was wir sind, ist nicht so ganz klar, aber wir scheinen irgendjemandes Überreste zu sein. Auch was wir erreichen müssen, ist nicht so recht ersichtlich. Wir wissen nur, dass wir uns durch ein Labyrinth zu kämpfen haben. Ein Labyrinth voller Gefahren, die alle unseren Tod herbeisehnen. Und sterben werden wir. Wieder und wieder. Aber es ist auch ein Labyrinth voller Geheimnisse, Schätze und Verstecke. Um es kurz machen: Dead Cells ist eine äußerst gelungene Mischung aus Rogue-like und Metroidvania.

Unser Charakter erscheint als grüne, glibberige Masse, die sich gerade in eine humane Form wandelt. Wir tragen nichts als Klingen bei uns. Wir laufen die ersten Meter, und wir stehen vor der ersten Wahl: Nehmen wir noch diesen popeligen Standardbogen und den simplen Holzschild? Wir haben nämlich eine Haupt- und eine Nebenwaffe. Wobei Schilde indirekt auch als Waffen gezählt werden, da sie wie eine Haupt- oder Nebenwaffe eingesetzt werden. Denn ein Schild ist nur aktiv, wenn er hochgehalten wird, um zum Beispiel Projektile abzuwehren. Gleichzeitig können viele Schilde aber auch Angriffe reflektieren, sodass die Angreifer bei ihrer Attacke Schaden nehmen.

Die Möglichkeiten, die Dead Cells uns für das Gameplay bietet, sind äußerst zahlreich. Im Laufe der Zeit erhalten wir zudem ein wirklich reichhaltiges Angebot an möglichen Haupt- und Nebenwaffen: Klingen, Wurfmesser, Bogen, Peitschen, brennende Fackeln... Und jede Waffenart hat ihre jeweiligen Vor- und Nachteile. Als Bogenschütze lieber eingermaßen sicher auf Distanz bleiben, aber eher wenig Schaden machen und munitionsabhängig sein? Oder mit den Klingen nah ran an's Geschehen und kräftig draufkloppen? Mit den Fackeln Flächenschaden für mehrere Gegner auf einmal und aus mittlerer Entfernung auslösen? Eher defensiv mit dem Schild agieren? Oder eine Kombination aus zwei verschiedenen Waffen?
Screenshot Screenshot
Um das Ganze abermals variabler zu machen, haben wir zudem zwei Itemslots - für Items. Und Items gibt es ebenfalls jede Menge. Da gibt es Bomben, Eisbomben, Schnappfallen, Mini-Ballisten und und und... Wie bei Haupt- und Nebenwaffe ist uns vollkommen freigestellt, welche Items wir bei uns tragen. Allerdings können Items nicht in schneller Abfolge pausenlos eingesetzt werden, sondern sie haben eine Abklingzeit. Haben wir also zum Beispiel gerade eine Bombe geworfen, müssen wir ein paar Sekunden warten, bis wir die nächste werfen können.
Screenshot Screenshot
Wie beim Genrekollegen Metroid üblich, gibt es kein Level-up-System, sondern unser Charakter ist, was er durch seine Waffen, Items und Upgrades geworden ist. Und im Besonderen die Upgrades gilt es weise zu wählen. Alle unsere Waffen und Items sind farblich gekennzeichnet, mit rot, lila, grün oder orange. Und finden wir einen der Upgradetanks, dürfen wir wählen, für welche Farbe wir das Upgrade wollen. Wir können also alle grünen Waffen und Items 15% mehr Schaden machen lassen - oder alle roten. Daran gebunden ist häufig auch, dass unsere Lebensenergiekapazität ebenfalls gemehrt wird - und je nach Wahl können das beispielsweise 40% mehr Leben sein, oder vielleicht nur 8%. Ungünstig ist, dass Lebensenergiekapazität nur auf diese Weise gesteigert werden kann. Während also alle Waffen und Items in allerlei Arten, Varianten und Boni daherkommen, erhöht nichts davon die maximale Menge unserer Lebensenergie. Also eine gewichtige Entscheidung.
Screenshot Screenshot
Genauso gewichtig wie die Wahl der Mutationen, die wir uns nach jedem Level aussuchen dürfen. Wollen wir die Abklingzeiten der Items reduzieren? Oder sollen alle Bögen die doppelte Anzahl Projektile haben? Oder soll jeder besiegte Gegner uns etwas verlorene Lebensenergie wiedergeben?
Screenshot Screenshot
Denn wir dürfen nicht nur in der Lage sein auszuteilen, sondern wir müssen dringend auch einstecken könnnen. Sehr dringend sogar. Der erste Level, obschon durchaus fordernd, ist noch gut machbar. Doch schon der zweite verlangt uns einiges ab. Und fordert viele virtuelle Tode... ...bis wir irgendwann einmal den dritten Level sehen. Wo es erneut schwerer wird.
Screenshot Screenshot
Doch wie Rogue-likes nunmal sind, bedeutet der Tod, dass man auch wieder von vorn beginnt. Allerdings nicht mit allem, sondern Waffen und Items, die wir uns bereits freispielten, bleiben freigespielt und tauchen ab sofort zufällig in jedem weiteren Spieldurchgang auf, sodass unser Arsenal an Goodies wächst und wächst und wir immer mehr Freiheiten haben, um kreativ zu spielen. Und damit es nicht zu langweilig wird, sind alle Level nach jedem Ableben immer wieder neu strukturiert.
Screenshot Screenshot
So schön das ist, desto mehr ärgert aber auch, wenn man stirbt. Denn tot ist tot, es gibt kein Zurück; nur den Neuanfang. Es gibt zwar eine Mutation, die einmalig in der Lage ist, einen Tod zu verhindern - man stirbt also nicht, sondern erhält ein wenig Lebensenergie zurück und macht an Ort und Stelle weiter -, aber das ist die einzige Ausnahme. Mir leuchtet durchaus ein, dass ein permanenter Tod eine fühlbare Bestrafung ist, aber Dead Cells ist andererseits manchmal pervers schwer. Trotz voller Lebensenergie und allem Zipp und Zapp gibt es Momente, in denen uns blitzschnell die Lebensgeister ausgeknipst werden. Weil von irgendwo plötzlich ein Schwarm fliegender Bomben auf uns zurast, oder uns einer dieser teleportierungsfähigen Ninjas auflauert und blitzschnell neben uns steh... ...oder was auch immer sonst es ist. Dead Cells hat ständig Überraschungen parat - die oft nicht einfach nur unerwartet erscheinen, sondern so plötzlich da sind, dass man so gerade eben noch mit einem kleinen Rest Lebensenergie dem Ende entronnen ist. Und der Schaden, den viele Gegner mit nur 1-2 Treffern bei uns anrichten können... Nicht angenehm!
Screenshot Screenshot
Mit anderen Worten: So sehr dieses Konzept also nunmal dazugehört, ich finde Dead Cells sollte einen variablen Schwierigkeitsgrad haben, denn selbst halb so schwer wäre es auch für viele halbwegs fortgeschrittene Gamer/innen immer noch kaum zu verdauen. Hinzu kommen einige schlichtweg unfaire, manchmal gar ausweglos Passagen. Wie etwa, dass man einen Geheimgang entdeckt, an dessen Ende ein Schatz wartet, doch springt man an der Plattform vorbei, landet man in einem Säurebad, aus dem es kein Entkommen gibt. Wenn man auf diese Weise seinen Charakter einfach nur noch sterben lassen muss, beziehungsweise kann, wünscht man das Entwicklerteam zum Kuckuck! Meine Güte, was habe ich geflucht und geschimpft!
Screenshot Screenshot
TECHNIK
Seine unbarmherzige Schwere ist aber auch wirklich das Einzige, was ich Dead Cells anlasten kann. Der Umfang ist, wie bei Rogue-likes üblich, sehr reichlich und zielt ja nicht nur auf das reine Besiegen des finalen Endbosses ab, sondern auch auf das Freischalten möglichst aller Waffen, Items und Mutationen. Bedenkt man außerdem, auf welche vielfältige Weise der eigene Charaktere ausgestattet und gespielt werden kann, erhöht sich der Wiederspielwert hier dramatisch.
Screenshot Screenshot
Grafisch ist alles in Butter, und ungefähr anzusiedeln in der 32-Bit-Ära; nur eben in HD, versteht sich. Obschon Dead Cells auf Düsternis setzt und vor allem dunkle Farben verwendet, sind die Konstraste gut gewählt, sodass Gegner und Umgebung immer deutlich voneiander zu unterscheiden sind, und auch viele Details wahrgenommen werden können. Wie etwa ein in die Wand eingearbeitetes Triforce-Symbol. Und obwohl Dead Cells im Grunde konstant flüssig und ruckelfrei läuft, gibt es gefühlt alle 20-30 Minuten einen winzigen Moment lang den "Effekt", dass urplötzlich eine halbe Sekunde Gameplay übersprungen wird; selbst im Docked-Modus. Es ist, als gäbe es einen winzigkleinen Zeitsprung im Spiel. Wann und unter welchen Umständen dies passiert, kann ich leider nicht festmachen, und es nimmt auch nichts von meiner Gesamtwertung, aber wenn es passiert, irritiert es doch sehr - und so einige Male habe ich deswegen viel Schaden nicht vermeiden können.
Screenshot Screenshot
Die Musik ist klasse. Schön atmosphärisch mit lockerem Beat und Ohrwurmmelodie, größtenteils auf analogen Saiteninstrumenten interpretiert. Auch die Soundeffekte lassen sich nicht lumpen. Alles rumpelt, scheppert und zerplatzt mit authentischer Akustik, und selbst die phonetischen Floskeln diverser NPCs hier und dort klingen auf merkwürdige Weise witzig und gefährlich zugleich.
Screenshot Screenshot
Die Steuerung ist über jeden Zweifel erhaben. Unser Charakter reagiert absolut perfekt und jede unserer Eingaben, die Kontrolle, selbst bei schwierigsten Sprüngen und in den hektischsten Momenten, ist jederzeit tadellos. Um das noch zu toppen, ist die Buttonbelegung vollkommen frei wählbar - und sowohl Analogstick als auch Steuerkreuz bewegen den Charakter!
Screenshot Screenshot
FAZIT
Dead Cells ist ein Muss für alle, die Castlevania oder Metroid mögen. Die Spielbarkeit könnte besser nicht sein, die Möglichkeiten, den Charakter auszustatten und wie man dem Gameplay begegnet, sind beinahe unbegrenzt. Allerdings ist Dead Cells auch wesentlich fordernder als die Urväter des sogenannten "Metroidvania"-Genres; frustresistent sollte man also schon sein. Denn oft genügt schon ein einziger unachtsamer Moment, und man landet wieder am Anfang! Also: Geiler Titel, aber sauschwer!
Screenshot Screenshot
UPDATE ZUM "FATAL FALLS"-DLC
Alles in allem gab und gibt es ja bereits sowieso diverse Ergänzungen und Bugfixes über kostenlose Updates für Dead Cells, aber nur mit dem ersten DLC The Bad Seed, das im Februar 2020 erschien, und dem jetzt taufrischen Fatal Falls gibt es tatsächlich neue Inhalte, darunter im Besonderen neue Gegner- und Boss-Typen. Dadurch ergibt sich gerade beim Prinzip des quasi-frei wählbaren nächsten Abschnitts natürlich noch mehr Abwechselung. Sehr gut: Die Fatal-Falls-Areale fügen sich nahtlos in die bereits etablierte Welt von Dead Cells ein, was alle Belange des Look and Feel und des Gameplays betrifft. Nichts wirkt fehl am Platze oder "moderner" als die übrigen Inhalte.
Screenshot Screenshot
Etwas schade ist, wenn auch wirtschaftlich nachvollziehbar, dass Eingänge in andere Areale aus beiden bisherigen DLCs implementiert sind, aber sollte der zugehörige DLC nicht installiert sind, kommt beim Versuch, eben jenes Areal zu betreten, der Hinweis auf den eShop. Diesem Hinweis kann man nachkommen und den DLC direkt hinzukaufen, oder man bricht ab und kann/muss einen Eingang zu einem anderen Areal finden. Immerhin sind die Arealeingänge immer so gemixt, dass man ohne den entsprechenden DLC nicht mehr vorwärts käme - denn alle Areal-Eingänge sind immer so gemischt, dass wenigstens einer auf bereits vorhandene Inhalte zurückgreift.
Screenshot Screenshot
Allerdings sind die 4,99€ absolut fair und "Fatal Falls" bekommt darum ohne Einschränkung meine Kaufempfehlung: Schlicht großartig. Ein geiles Spiel wird für 'n Appel und 'n Ei noch geiler und umfangreicher.
Jörg Singleplayer: 84%

Verfasst von Jörg am 26.01.2021,
bemustert durch Headup
für bis zu 1 Person/en
Release am 07.08.2018