Cover: Nelke & the Legendary Alchemists: Ateliers of the New WorldNelke & the Legendary Alchemists: Ateliers of the New World spielt im Atelier-Universum, wie beispielsweise auch Atelier Lydie & Suelle: The Alchemists and the Mysterious Painting, das vor genau einem Jahr ebenfalls für die Switch erschien. Das Gameplay ist allerdings ein gänzlich anderes. Nelke & the Legendary Alchemists ist eine Wirtschaftsimulation; eine recht komplexe sogar, und sie bietet obendrein Rogue-like-Elemente!

So beginnen wir das Spiel als Nelke, eine junge Aristokratin, die als Alchemistin versagte, aber nun eine kleine Stadt florieren lassen möchte. Begrüßt werden wir sogleich von Knoss, er erzählt uns, dass die Bewohner hier allesamt nett sind, aber auch, dass schon viele vor uns versuchten, was wir nun versuchen wollen. Und sollten wir die jeweiligen Etappenziele nicht erreichen, endet das Spiel direkt. Doch das sei noch Zukunftsmusik und wir werden willkommen geheißen. Ein paar warme Worte und Kennenlernmomente mit anderen Personen später, geht es direkt los.

Ein kleines Tutorial verrät uns die notwendigsten Dinge. So wird gebaut, so Dinge erschaffen und so verkauft man jene Dinge. Auf diese Weise stellen wir Personal ein, auf jene Weise geben wir ihm Anweisungen, etc. Na, wie das eben so ist. Alles noch sehr simpel gehalten, weshalb wir erstmal nur Zugang zu wenigen Menüpunkten haben, um nicht überfordert zu werden. Auch die Zielsetzungen, Tasks genannt, sind noch Kleinkram, wie etwa, drei Tage am Stück eine positive Bilanz vorzuweisen. Das Erreichen der ersten Ziele sorgt für Selbstvertrauen und Verständnis des Gameplays. Und das ist btiter nötig, denn, wie schon erwähnt, gelingt es nicht, einen Task innerhalb seines vorgegebenen Zeitraums abzuschließen, wird uns erklärt, wir hätten unser Ziel verfehlt und müssten nun bitte die Stadt verlassen. Darum ist ganz wichtig, die Taskübersicht stets im Auge zu behalten; die Subtasks übrigens dürfen vernachlässigt werden, hindern uns also nicht am Weiterkommen, bringen bei Erfüllung aber oft ansehnliche Boni, in Form von zum Beispiel Alchemierezepten, Geld oder Materialien.
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Und diese drei Dinge begleiten uns unablässig. In unserer Stadt dürfen wir zunächst nur ein begrenztes Terrain bebauen und auch die Baumöglichkeiten halten sich natürlich ebenfalls arg in Grenzen. Eine Alchemistenhütte, ein Shop und ein paar Grünflächen, um Dinge anzubauen. In jede Alchemistenhütte muss ein/e Alchemist/in. Hier werden aus vorhandenen Materialien andere Materialien oder Dinge gefertigt. Aus Weizen kann Mehl gemacht werden, aus Mehl, im Zusammenspiel mit anderen Zutaten, werden beispielsweise Brot oder Apfeltaschen. Doch nicht nur Nahrungsmittel können gefertigt werden, sondern auch Waffen, Rüstungen, Edelsteine, Essenzen und und und... Und fast alles kann zu anderen Dingen verarbeitet oder an die Bevölkerung verkauft werden. Auf diese Weise gelangen wir an Geld, durch welches wir neue Gebäude erstellen und neues Personal einstellen können und so weiter.
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Wir müssen allerdings unbedingt darauf Acht geben, was wir geradeso produzieren, damit wir in den Shops nicht die Anweisung geben, etwas zu verkaufen, was nicht oder nicht mehr ausreichend vorhanden ist. Darum müssen alle Facetten immer im Auge behalten werden. Ist genug hiervon da, um jenes herstellen zu können? Haben wir Zugriff auf Rezepte, deren Resultate am Ende mehr Geld bringen als die Dinge, die wir jetzt verkaufen? Denn da uns ja die Tasks im Nacken sitzen, müssen wir auf solcherlei Umstände aufpassen. Jeden Tag einfach nur ein bisschen im Plus zu sein, hilft vielleicht noch am Anfang; doch später müssen wir mächtig Kohle scheffeln, sonst verfehlen wir einen Haupt-Task und das war's dann.
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Um nicht nur zwischen Menüs, Infotäfelchen alledem zu versauern, gibt es auch noch sogenannte Investigations. Wir wählen einen zu erkundenden Pfad aus - auch hier werden es mit der Zeit mehr und mehr - und beschreiten ihn. Unsere ausgewählte Crew, die aus bis zu fünf Charakteren bestehen kann, sammelt dabei allerlei Dinge auf, die sie auf dem Weg findet, wie Obst, Früchte, Hölzer, Erze, Samen, Blätter, Halme, und muss auch immer mal wieder kämpfen. Denn im Schnitt zwei- bis viermal stößt man bei einer Erkundungstour auf eine Gruppe von Gegnern. Die Kämpfe laufen nach dem Final-Fantasy-Schema ab, inklusive der Wahl aus Angriff, Item oder Zauber für eine Aktion, und am Ende gibt es ein paar Erfahrungspunkte und eine Handvoll Materialien. An dieser Stelle sei gleich verdeutlicht, dass die Kämpfe allesamt eher der Zerstreuung dienen und keine echte Herausforderung darstellen. Nur ein einziges Mal "starb" ein(!) Charakter in einem Kampf; war danach aber weiterhin verfügbar.
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Die Kämpfe während einer Erkundung sind also eher eine Dreingabe, die man auf Wunsch aber auch vollständig im Eilverfahren durch die CPU selbst durchexerzieren lassen kann. Das geht in der Tat nicht nur wahnsinnig flott, sondern erstaunlich effektiv. Die KI gibt sich wirklich Mühe, handelt situativ bedingt, heilt also angeschlagene Charaktere, wählt die passenden Attacken für einen Gegner und so weiter. Ich habe sehr schnell nur noch automatisch kämpfen lassen - es gab nichts, was ich hätte viel besser machen können.
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Durch ihre Erfahrungen im Anbauen, Erntern, Erschaffen, Verkaufen, Kämpfen und dergleichen, sammeln alle Charaktere Erfahrungspunkte, wodurch sie besser und besser werden. Sie können pro Tag mehr Dinge erschaffen, ernten, verkaufen, aber ebenso im Kampf besser bestehen, da sie etwa stärker, ausdauernder oder schneller werden. Man kann sich also aussuchen, ob man einen Charakter spezialisiert, ihn also beispielsweise immer nur verkaufen, oder diesen auch mal kämpfen lässt... Denn außerdem sind nicht alle Charaktere für alles gleich gut geeignet. Und ganz wichtig, ein Händchen für die Alchemie muss ein Charakter direkt mitbringen, sondern kann er nicht zum Erschaffen neuer Materialien eingesetzt werden - das kann man nicht erlernen. Bei allem anderen allerdings müssen wir aufpassen, wer auf welchem Gebiet besonders glänzt, wenn wir möglichst optimale Resultate möchten.
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Mit der Zeit wächst und gedeiht unser Örtchen. Und wir erhalten Zugang zu neuen Arealen. Auch hier legen wir nun Hand an, errichten Shops und so weiter, expandieren, bauen weiter aus, erkunden neue Gebiete, finden immer neue Materialien, stoßen auf immer neue Gegner, die Charaktere in unserer Obhut werden mehr und mehr und mehr... Kurz: Die Maschine läuft gut geölt. Dennoch tut sie das nicht von allein. Regelmäßig müssen wir auch jetzt weiterhin alles im Auge behalten, ständig überall alles nochmal checken. Mangelt es an irgendwas? Kann irgendwo etwas nicht synthetisiert werden, weil ein Material fehlt? Wird ein Shop unter seinem Niveau betrieben? Bringt ein neues Produkt mehr Geld als ein bisheriges? Aber auch die Tasks halten uns immer mehr auf Trab. Die Anforderungen werden knackiger, die Zeitlimits auch.
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Und die Bevölkerung hat zusätzliche Anliegen! Sie fürchten sich vor Monster X, wir sollen bitte losziehen und es besiegen. Sie hätten gern Süßigkeiten, wir sollen sie bitte anbieten. ...und und und... Diese Anliegen können wir, wenn wir wollen, ignorieren, doch erhalten wir einerseits für das Beachten und Erfüllen dieser Anliegen Boni, und andererseits schlägt sich allzu viel Ignoranz, beziehungsweise Nichterfüllung auf die Laune der Leute, respektive auf das Wachstum der Stadt aus. Immerhin ist wichtig zu wissen, dass es so zwar etwas schwerer wird, uns aber allein deshalb kein Game Over droht - das droht einzig und allein nur durch den gerade aktuellen Haupt-Task.
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TECHNIK
Nelke & the Legendary Alchemists versteckt sein ausladendes Gameplay hinter vielen, sehr vielen Dialogen - diese lassen sich beschleunigen und später auch überspringen, nerven mit der Zeit aber doch sehr, weil es zumeist nur höfliches Blabla ohne echten Inhalt ist -, schicken Animationen und Japano-Gute-Laune-Atmosphäre. Alle Charaktere sprechen beinahe immer sehr freundlich und freundschaftlich miteinander, sind höflich und hilfsbereit - und sie beklagen sich nicht. Und es wird, gegenüber uns, nicht mit Lob und kleinen Feuerwerkchen gespart, wenn wir etwa einen Task erfüllten oder Zugriff auf neue Elemente erlangen.
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Nichtsdestotrotz ist Nelke & the Legendary Alchemists eine knallharte Wirtschaftssimulation, die sich, wenn man einen Haupt-Task verschwitzte, nicht scheut zu sagen: "Du hast versagt, du musst gehen, bye bye!" Und dann gibt es auch kein Zurück mehr. Man kann selbstverständlich wieder am letzten Speicherpunkt ansetzen. Doch wenn man so ungünstig speicherte, dass die Zeit bis zum Erreichen eines Taskziels nicht mehr ausreicht, hat man wirklich Pech. Deshalb sollte man regelmäßig speichern, am besten mindestens alle 1 bis 2 Stunden. Die Software selbst speichert nämlich zu keinem Zeitpunkt. Wenn wir vergessen haben, zum Beispiel vor Beendigung der Software abzuspeichern, haben wir schlicht und ergreifend Pech gehabt. Immerhin gibt es reichlich Speicherslots, sodass der Fortschritt in unterschiedlichen Slots festgehalten werden kann - sofern gewünscht. Allerdings: Wenigstens alle 30 Minuten mal einen Auto-Quick-Save zu speichern, den man im Notfall, also falls man zu speichern vergisst, bevor man das Spiel verlässt, laden kann, hätte schon mal eingebaut werden können - sogar müssen. Man kann problemlos Stunden in eine einzige Sitzung stecken, weil man sich tief in alle Vorgänge reindachte - und wehe, man denkt dann nicht ans Speichern! Solch ein Feature nicht bei einem derartigen Titel anzubieten, ist fahrlässig.
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Sollte uns tatsächlich das Game Over ereilen, können wir das Spiel sich unseren Fortschritt merken lassen, sodass wir bei einem Neustart unter minimal günstigeren Bedingungen starten. Das können bereits laufende Shops sein oder auch Materialien, die dann bereits schon vorhanden sind, oder auch Geld, dass auf dem Konto bereit steht. Auf diese Weise müssen wir nicht wieder ganz bei null beginnen, sondern nur fast. Deshalb bleibt es eine bittere Pille, wenn man in allem Trubel nicht auf die Taskliste schaut, Deadlines verschwitzt und es plötzlich heißt: "Und tschüss!"
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Wirklich, wirklich ärgerlich wird es aber dann, wenn einige Haupt-Tasks erfüllt werden müssen, man aber keinen Plan hat, wie das erfüllt werden soll. Eine der noch frühen Haupt-Tasks lautet, zwei "Large scaled" Gebäude zu errichten. Hierfür sind aber zwei Materialien Voraussetzung, die man benötigt. Ich zum Beispiel hatte laut Infoliste sogar alle Ingredienzien, um beide Materialien synthetisieren zu können, aber mir fehlten die Rezepte dafür, damit meine Alchemisten loslegen können. Woher bekomme ich die Rezepte? Was muss ich dafür tun? Mit wem sprechen, was errichten, was anbauen, welche Gegner erledigen? Keine Ahnung... So probiere ich Runde für Runde alles aus, was mir einfällt - aber nichts davon gab mir die besagten Rezepte. Ich hatte glücklicherweise passend gespeichert, sodass ich ohne meinen übrigen Fortschritt zu verlieren, mehrfach neu ansetzen und viele Möglichkeiten durchgehen konnte, und nach gut 6 Stunden verplemperter Zeit hatte ich es eher zufällig im Research-Bereich herausgefunden... Man kann sich also durchaus mal selbst festsetzen, wenn man nicht an alles denkt. Trotzdem, oder vielleicht besser deshalb, finde ich, hätte ein dezenter Hinweis bei den vermissten Materialien vermerkt werden können, der erklärt, man müsse entsprechend erforschen...
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Umständlich und bisweilen störend sind auch die vielen zwar wirklich kurzen, aber dennoch als "zu lang" empfundenen Ladescreens. Wenn man beispielsweise in der Rundenphase ist, in der man mit allen möglichen Charakteren spricht, um die Beziehung zu ihnen zu verbessern oder neue Dinge bauen oder erfahren zu können, muss man alle Charaktere einzeln anwählen, und jedes Mal kurz warten, bis man erfährt, was der Kern des Gesprächs ist, es mögen stets nur 2-5 Sekunden sein, aber das summiert sich schnell auf, wenn man 10 Charaktere hintereinander weg sprechen will und in den Menüs auch die immer selben Schritte durchwuseln muss. Eine Option, einen Charakter einfach anzuwählen, den Gesprächsinhalt sofort und auf 2 Sätze zusammengefasst zu erhalten und dann direkt weitermachen zu können, wünsche ich mir jedes Mal auf's Neue. Denn die vielen Dialoge sind häufig nur freundliches Blabla und ohne spielrelevante Substanz. Sicher, es vermittelt des Gefühl eines sozialen Gefüges, doch in einer Wirtschaftssimulation alle möglichen Dinge im Kopf zu haben, was muss produziert, was als nächstes erledigt, worauf in der nächsten Runde zuerst geachtet - und dann ohne Ende Geschwafel wegdrücken und in Menüs rumfummeln zu müssen, verträgt sich einfach nicht miteinander.
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Grafisch weiß Nelke & the Legendary Alchemists zu gefallen. Der Mix aus Comiclook mit Cel-Shading-Touch kommt gut rüber und lässt das Gameplay weniger trocken erscheinen. Musikalisch ist Nelke & the Legendary Alchemists: Ateliers of the New World über jeden Zweifel erhaben. Gute-Laune-Melodien, häufig mit vielen folkigen Anteilen und dazu super produziert. Da passt es wunderbar, dass es einen gesonderten Menüpunkt gibt, über den alle Tracks einzeln angewählt und abgespielt werden können. Auch sind die Dialoge qualitativ hochwertig ins Japanische synchronisiert worden - lassen sich auf Wunsch aber auch stumm schalten, sodass man dann nur noch die englischen Untertitel zu lesen bekommt. Deutsche Worte liest man in diesem Titel nur, wenn die Namen der Charaktere fallen. Die heißen schon mal Klein, Donnerstage, oder eben wie die Namensgeberin Nelke. Darüber hinaus wird man unzählige Cameos von Charakteren aus der Atelier-Reihe begegnen, darunter etwa Hagel, Meruru, Lydie oder Suelle. Die Steuerung macht keine Probleme und geht direkt ins Intuitive über.
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FAZIT
Nelke & the Legendary Alchemists: Ateliers of the New World ist ein Spiel, dessen Komplexität und Tiefgang man hinter seiner zwar hübschen, aber verspielt wirkenden Fassade nicht vermuten würde. Man benötigt mindestens einen Durchgang, bis man wirklich alle Zusammenhänge verstanden und das volle Potenzial aller Möglichkeiten zu seinem Vorteil nutzen kann, aber dann macht es einfach nur noch Spaß - der durch einige eigentlich leicht vermeidbare Stolperer etwas getrübt wird und darum zu einem - nicht allzu gewichtigen - Punktabzug in meiner Wertung führt.
Jörg Singleplayer: 78%

Verfasst von Jörg am 08.04.2019,
bemustert durch Koch Media
für bis zu 1 Person/en
Release am 29.03.2019