Cover: Port Royale 4Port Royale 4 versetzt uns 500 Jahre in die Vergangenheit. Damals gab es noch keinen Versandhandel, wie wir ihn heute kennen. Und auch direkt irgendwas bestellen ging nicht einfach so. Man musste sich auf die Seefahrt verlassen. Die kurvte mit ihren Schiffen über die Weltmeere und sorgte so dafür, dass es in Ländern zum Beispiel Wolle gab, die sich diese Ressource nicht von selbst erschließen konnten. Und einer dieser Seefahrer zu eben jener Zeit sind wir.

In Tortuga mangelt es an etwas, dass es in Baracoa im Überfluss gibt. Also kaufen wir es dort günstig ein und verkaufen es zu einem gesalzenem Preis in Tortuga. So machen wir unsere ersten paar Kröten. Dann bauen wir aus. Immer mehr Städte fahren wir ab, kaufen hier etwas ein, verkaufen es woanders. Und wieder bauen wir aus. Allmählich haben wir mehrere Schiffe, die auf Konvois verteilt sind. Und diese Konvois schippern auf automatisierten Handelsrouten umher. Das heißt, sie kaufen und verkaufen Waren nach unseren Vorgaben. Hier Wolle kaufen, wenn der Preis nicht höhrer als X ist, dort das Salz verkaufen, sofern wir mindestens Y dafür bekommen. Erst diese Stadt ansteuern, dann diese und dann diese...

Wie komplex wir diese Routen ausarbeiten, wie lange wir daran herumfeilen, ist uns überlassen - wir können sie sogar auf Automatik stellen, das heißt, die Schiffsbesatzungen handeln mit den von uns vorgegebenen Waren aus dem Bauchgefühl heraus. Das bringt zwar nicht das Maximum an Schotter, aber es lohnt sich trotzdem und erspart uns das Herumnavigieren in Menüs und Tabellen. Denn davon gibt es in Port Royale 4 reichlich. Im Besonderen Tabellen können ziemlich lang sein; oft sogar unnötigerweise. Wenn ich etwa nur Wolle und Ziegelsteine geladen habe und diese verkaufen möchte, habe ich trotzdem die vollständige Auflistung aller im Spiel verfügbaren Waren und muss mich zu den gewünschten durchscrollen.
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Ähnlich ist es auch mit Angebot und Nachfrage in diversen Städten. Wenn wir nicht selbst Notizen machen, oder ein wahnsinnig gutes Gedächtnis haben, kann das Erstellen eine simplen Handelsroute mit 4-6 Waren und 3-4 Städten in reichlich Wuselei ausarten. Wo war nochmal was wie sehr gefragt - und was wie häufig verhanden? Wo erziele ich den besten Preis für welche Ware? Klar, etwas recherchieren soll man in einer Wirtschaftsimulation schon müssen. Aber durch die vielen Menüs und Dialoge, die wir ständig öffnen, schließen und hin- und herwechseln müssen, entsteht einiger Zeitverlust und reichlich Behäbigkeit im Spielfluss. Wenn ich doch sowieso beispielsweise Santiago in meine Routenliste hinzufüge, warum kann neben dessen Namen nicht eine Handvoll Icons sein, die mir aufzeigen, was die Stadt gerade dringend benötigt und was sie selbst massig produziert? Stattdessen muss ich die Menüeben verlassen, auf der Karte den gewünschten Ort suchen und dann dort seinerseits Menüs öffnen, um seine Warenbestandsliste einsehen zu können, um dann wieder in den Routenplaner zu wechseln.
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Dabei erwartet Port Royale 4 keineswegs, dass man seine Entscheidungen schnell trifft. Im Gegenteil, man kann sich sogar alle Zeit der Welt in den Menüs lassen, weil alles andere solange pausiert (dies lässt sich in den Optionen allerdings auch deaktivieren), aber das ändert nicht viel: Der naturgemäß hohe Verwaltungslevel eines Port Royale 4 wird auf diese Weise schnell zähflüssig. Und das gilt für viele Dinge in Port Royale 4. Für alle Vorgänge werden ständig Dialoge geöffnet und geschlossen - und später nochmal geöffnet -, Tabellen durchgescrollt, Menüpunkte ausgewählt. Ganz gleich, ob ich Schiffe bauen will, sie einem Konvoi hinzufüge, Besatzung oder Kapitäne anheuere, ich mir Seeschlachten mit Piraten liefere...
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Mir ist der schwierige Spagat, eine gute Balance für dieserlei Dinge zu finden, zwar durchaus bewusst, denn es gibt in der Realität eine Unmenge an Faktoren, die berücksichtigt werden müssen; und in einer Simulation sollten diese möglichst vollständig und korrekt abgebildet werden. Dabei ist dem Team hinter Port Royale 4 kein Vorwurf zu machen, sie haben die Steuerung via Controller super hinbekommen, aber trotzdem ist die Handhabung von Menüs und Tabellen und Menüs und Tabellen und Menüs und Tabellen auf diese Weise sehr umständlich, weil man nicht direkt einen Menüpunkt anwählen kann, sondern man sich mittels 3D-Stick oder Schultertasten immer von Menüpunkt zu Menüpunkt durchwählen muss. Und das summiert sich im Laufe einer Session ziemlich auf.
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Hinzu kommt, dass, auch wenn es sinnvoll ist, dass während Menüs geöffnet sind, man das Gameplay so konfigurieren kann, dass es wartet, bis Entscheidungen getroffen wurden, man selbst ebenfalls viel wartet. Ganz besonders in der Anfangszeit. Bis ein Konvoi von A nach B gereist ist und die ersten Moneten eintrudelten, bis ein neues Schiff fertig gebaut wurde und so weiter. Man legt den Controller beiseite und wartet mehrere Sekunden, teils 1-2 Minuten - je nachdem, worauf man wartet. Zwar lässt sich der Ablauf beschleunigen, wenn man auf der Karte maximal herauszoomt, aber so wirklich flott geht es dennoch nicht voran.
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TECHNIK
Der Unterbau von Port Royale 4 ist grundsolide. Die Ladezeiten zu Beginn oder bei Wiederaufnahme einer Session sind mit 5-10 Sekunden angenehm kurz und das Gameplay bleibt, hardwareseitig, stets flüssig. Grafisch geht Port Royale 4 in Ordnung, alles ist gut zu erkennen und erfüllt seinen Zweck. Dennoch ist die Grafik natürlich nicht der Weißheit letzter Schluss, man hätte aus der Switch sicherlich noch etwas mehr herauskitzeln können, liebes Entwickler-Team. Akustisch ist alles im grünen Bereich. Die Soundeffekte beschränken sich auf kleine Fanfaren oder Bestätigungsklängen bei der Auswahl von Menüpunkten. Die Musiken sind für sich genommen super und vermitteln das für eine Situation passende Ambiente.
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Obwohl ich zur Steuerung schon einiges schrieb und nochmal bekräftigen möchte, dass diese für sich allein genommen, wunderbar funktioniert, aber bei all der Menüherumwuselei an ihre Grenzen stößt, kommt ein weiterer Aspekt zum Tragen. Denn die Menüs sind oft nicht selbsterklärend genug. Ohne die in der Tutorial-Sektion gut erklärten und ausreichend ausführlichen Erklärungen, was wie funktioniert, fände man sich einfach nicht zurecht. Das heißt im Umkehrschluss, dass man die Tutorials unbedingt absolvieren sollte, wenn man die Möglichkeiten von Port Royale 4 wirklich voll ausschöpfen möchte. Und das ist gerade zu Beginn schwierig. Man möchte endlich loslegen, endlich spielen...
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...stattdessen stellt man immer wieder fest, dass man irgendetwas nicht findet oder einzustellen in der Lage ist, und geht dann doch wieder in den Tutorial-Bereich. Sodass man sich am Ende über eine Stunde anguckt, was man wo und wie einstellt. Und nach jedem Tutorial denkt man sich "Ok, hiernach starte ich aber wirklich!" und dann kommt die Frage, ob man auch das Tutorial über XY ebenfalls mitmachen möchte, und man kommt zu dem Schluss, dass es schon gut wäre, auch diesen Aspekt verstanden zu haben.
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Fehlen tut mir übrigens ein Mehrspielermodus. So interessant und mitunter spannend die Kampgne auch ist, irgendwann ist man eben damit durch, und immer nur gegen die CPU im "freien Modus" zu spielen, ist nicht dasselbe, wie gegen Menschen, die intuitiver agieren.
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FAZIT
Port Royale 4 ist eine sehr gute Simulation mit unzähligen Möglichkeiten und tollem Setting. Allerdings: Als Fan von Games wie Die Patrizier und Die Patrizier II auf dem PC, fällt mir bei Port Royale 4 für die Switch auf, obwohl die Mechaniken hier ja sehr, sehr ähnlich funktionieren, wie viel Zeit man in Port Royale 4 für die Switch mit Statistiken und in Menüs verbringt, und wie viel Zeit davon nur allein für das Herumnavigieren in eben diesen Menüs verbracht wird.
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Kurz: Ich habe die Bedienung von Maus und Tastatur sehr vermisst. Nicht, dass es mit dem Controller nicht auch ginge, aber es dauert wesentlich länger und fühlt sich bald umständlich an. Wer sich damit arrangieren kann und seine Gedanken gern in Tabellen und Statistiken taucht, kann mit Port Royale 4 so manch unterhaltsame Stunde verbringen.
Jörg Singleplayer: 62%

Verfasst von Jörg am 07.06.2021,
bemustert durch Kalypso Media Group GmbH
für bis zu 1 Person/en
Release am 28.05.2021