Cover: TrüberbrookDie erfolgreicheste Crowdfunding-Kampagne für ein Videospiel aus Deutschland im Jahre 2017 und Abräumer des deutschen Computerspielpreises 2019 - das weckt Erwartungen! 1967 kommt der US-Amerikaner Hans Tannhauser mitten im Nirgendwo in das beschauliche, deutsche Dörfchen Trüberbrook. Auch wenn er diesen Aufenthalt auf etwas dubiose Weise angetreten ist, versucht er das Beste aus der Situation zu machen und ein wenig Urlaub zu genießen. Doch als dem Quantenphysiker schon in der ersten Nacht seine Aufzeichnungen entwendet werden, überschlagen sich die Ereignisse und schnell geht es um mehr als den Diebstahl von Schmierpapier.

Wird der Anfang der Geschichte noch von wenigen Figuren in einer überschaubaren Anzahl an Orten getragen, öffnet sich das Spiel spätestens im letzten Drittel nochmal erheblich und bringt mehr Charaktere und Schauplätze mit sich. Besonders hervorzuheben ist hier die englische und deutsche Sprachausgabe. Bis auf Hauptcharakter Hans wurden nämlich alle Akteure mit dem/der je selben Sprecher/in in beiden Sprachen vertont, was dem Ganzen in der englischen Fassung einen hübschen Kontrast liefert. Dieser kommt in der rein deutschen Version zwar nicht so gut rüber, aber an Qualität mangelt es sicher nicht: Nora Tschirner und Jan Böhmermann wurden mitunter verpflichtet und auch wenn einem der Rest des Casts vielleicht nicht auf Anhieb geläufig ist, ihre Stimmen hat man in diversen anderen Produktionen sicher schon vernommen. Der Soundtrack steht dabei ebenfalls nicht nach, wenn er auch etwas spärlich eingesetzt ist.

Was gleich ins Auge springt, ist die grafische Darstellung von Trüberbrook. Figuren und Umgebungen wurden nämlich per Hand modeliert und real konstruiert, um nachher digitalisiert und per Computer angepasst zu werden. Das verschafft dem Spiel einen unheimlich schönen, plastischen Look, der mit den Produktionen von Aardman oder den alten Neverhood-Games vergleichbar ist. Auch die Animationen des Hauptcharakters gehen häufig über die typsiche Hand-Ausstrecken-Geste wie in Point-&-Click-Adventures üblich, hinaus. Es haben sich zwar hier und da ein paar Cliping-Fehler eingeschlichen, diese stören aber keineswegs - sie fallen lediglich auf.
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Schön ist ebenfalls, wie das Spiel mit seinem Geldgebern umgegangen ist. Wer zu den Unterstützern des Projekts gehört, findet seinen Namen vielleicht auf diversen Listen oder als Autor eines fiktiven Buches wieder. Auch sonst gelangt es den Entwicklern, beispielsweise durch verstreute Zeitungsartikel, eine glaubhafte Umgebung für ihre erdachte Kleinstadt zu erschaffen. Hans selbst trägt immer ein Diktiergerät mit sich herum, wo er diverse Selbstgespräche aufnimmt und bei Bedarf auch wieder abspielt, sollten sie vom Spieler erneut abgefragt werden wollen.
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Old-School Adventure
Die Steuerung hat leider ein paar Tücken. So bleibt Hans dank der direkten Kontrolle gerne mal an einer Ecke hängen und muss dann erst wieder in eine günstige Position gebracht werden, um daraus zu entkommen. Da der simulierte Cursor wird zudem oft von Hotspots angezogen wird, ist an einigen Stellen ein wenig Geduld gefragt, ihn genau platzieren zu können. Und die Hotspot-Anzeige per Schultertaste aktiviert nur ein kleines rotes Kreuz, welches leicht zu übersehen ist. Eine Touchscreen-Unterstützung wird leider nicht geboten. Dafür aber ist schön, dass jeder der Facebuttons bzw. Richtungsknöpfe eine eigene Aktion darstellt - auch wenn es etwas gewöhnungsbedürftig ist, erst B für die Items und danach A zum Bestätigen zu drücken, aber das ist nach wenigen Minuten verinnerlicht.
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Spielerisch bewegt sich Trüberbrook auf sicheren Pfaden der Point-&-Click-Ära. Selbst noch so große Gegenstände wie Schaufeln oder Angeln landen im Inventar der Jackentasche und kommen an vorgegebenen Stellen zum Einsatz. Auf das Kombinieren von Gegenständen im Inventar wurde verzichtet, dafür werden alle benötigten Dinge gleichzeitig verwendet, wenn sie erforderlich und natürlich bereits vorhanden sind. Danbeben gibt es allerlei Gespräche mit den eigenartigen Bewohnern des Örtchens Trüberbrook, welche nützliche Informationen oder Gegenstände nach sich ziehen können. Die Rätsel variieren dabei stark, bieten aber größtenteils ordentliche Herausforderungen und manches Mal steckte ich vorerst in einer Sackgasse, ehe ich den nächsten Anhaltspunkt finden konnte. Adventure-Veteranen werden vermutlich etwas schneller zum Ziel kommen, dennoch gehe ich von einer durchschnittlichen Spielzeit von vier bis fünf Stunden aus.
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Fazit
Die Erwartungen hat Trüberbrook auf jeden Fall erfüllt. Die gesamte Präsentation ist liebevoll zusammengestellt, die Rätsel erfordern mitunter eine gute Portion Hirnschmalz, Soundtrack und Sprachausgabe sind von höchster Qualität. Nur der recht geringe Umfang fällt etwas negativ ins Gewicht.
Simon Singleplayer: 86%

Verfasst von Simon am 23.04.2019,
bemustert durch Headup
für bis zu 1 Person/en
Release am 17.04.2019