Cover: Tomodachi LifeDer ganz normale Wahnsinn
Hi, ich bin das Ebenbild von Jojo und lebe auf einer kleinen Insel in der Welt von Tomodachi Life. Hm, was gibt es wohl zum Frühstück? Chiligarnelen!? Die sind meine Lieblingsspeise. Egal wann. Aber was ist denn das? Da hat jemand einen Brief unter der Tür durchgeschoben. Mal sehen, was draufsteht: "Triff mich auf dem Dach!". Merkwürdig. Es ist kein Absender zu finden. Mein Ebenbild in der realen Welt sagt, ich soll trotzdem nachsehen und so gehe ich rauf aufs Dach des großen Wohnhauses der Insel. Ich werde erwartet. Mit gefälschtem Schnauzer und Melone vermummt versucht das Mii meiner großen Liebe in der realen Welt sein Antlitz zu verbergen. Doch sofort weiß ich, wer sich hinter den Maskerade verbirgt. Es sagt mir in kurzen Sätzen, dass es in dieser Welt nicht mit mir leben kann, weil es schon jemand anderen liebt. Ich bin am Boden zerstört... Aber nur kurz, denn Ganondorf schaut bei mir vorbei und heitert mich mit einem Miezmiez-Coupon auf. Ein kleines Kätzchen, ich und der König der des Schattenreiches tollen ausgelassen herum. Schnell ist der Kummer vergessen. Es wird Zeit, sich schick zu machen, um die Insel unsicher zu machen. Ich schlüpfe in mein geliebtes Hotdog-Kostüm und auf geht's! Wo soll ich nur anfangen?

Bei einem morgendlichen Spaziergang am Strand entdecke ich das Mii meines besten Kumpels bei einem Tête-à-Tête mit dem lebendgewordenen CDU-Hosenanzug Angela Merkel. Hand in Hand schreiten sie gemeinsam über den warmen Sand. Wenn ich ihm doch nur einen Tipp geben könnte. Ich würde ihm raten, den Motorradhelm abzunehmen. Aber die beiden in ihrer Zweisamkeit zu stören ist keine Option. Und so ziehe ich weiter. Der morgendliche Markt am Brunnen ist gerade zu ende. Heute hat Heino den Stand bewirtschaftet. Er verkaufte selbstgemachte Quiche. Geschmackliches Mittelmaß, aber es ist mir lieber, er ist damit beschäftigt, als sich seiner Gesangskarriere zu widmen. Mir dünkt es bei all der Harmonie jedenfalls nach einem Abenteuer. Es ist Zeit für einen Ausflug in Tomodachi Quest! Seite an Seite mit einer zufallsgenerierten Truppe anderer Inselbewohner prügle ich mich in feinster RPG-Manier im Stile der klassischen Final Fantasy-Titel durch Horden aggressiver Haushaltsgeräte und Fertiggerichte. Dabei bin ich ihr zum ersten Mal richtig nah gekommen, der Mii-Holdseligkeit in Person. Prinzessin Peach. Es hat sofort geknistert als wir gemeinsam der Armee finsterer Alltagsgegenstände entgegentraten. Drum lass ich gleich im Anschluss an unseren epischen Ausflug unsere Liebesvorhersage für die kommende Woche vom inseleigenen Zuneigungsbarometer treffen. Tja, leider nur dunkle Wolken in Aussicht für Peach und mich. Das würde bedeuteten, ein schöner Abend mit der Holden in der Konzerthalle und dann Streit für sieben Tage.

Nein danke, denke ich mir. Ich will den Abend lieber allein ausklingen lassen. Meine Entscheidung, das Konzert zu besuchen, bereue ich aber schnell! Er! Heino! Mit einer Ballade und im Duett mit meiner Nachbarin. Es wäre verdammt lustig, wenn es nicht so grausam wäre. Um die grausigen Höhepunkte dieses Tages auf der Insel zu verdauen, schaue ich mir die täglichen Nachrichten an. Ob Reisen ins All, Schatzfunde bei tiefen Tauchgängen oder die Veröffentlichung eines eigenen Kinofilms, von jeder großen Tat der Mii-Bevölkerung erfährt man hier. Nun ist es Zeit fürs Bettchen. Doch der Wahnsinn verfolgt mich bis in den Schlaf. In meinem Traum stehe ich am Strand. Alles ist ganz still doch dann taucht ein riesiges Ungeheuer aus den Fluten auf! Es hat den Kopf meiner guten Freundin Caro. Völlig verstört reißt es mich aus dem Schlummer. Nach diesem Tag wünsche ich mir nichts sehnlicher, als endlich das Geld für den Weltraumspaziergang zusammenzukratzen. Ich muss hier raus!
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Gute Zeiten, Schlechte Zeiten
So oder eben auch ganz anders laufen die Tage in Nintendos tragbarer Daily-Soap Tomodachi Life. Dabei gleicht kein Tag dem anderen. Nur in einem Punkt sind sie alles gleich: Der allgegenwärtige Tollheit. Der Titel nimmt sich zu keinem Moment ernst und eine verrückte Idee jagt die nächste. Den Ursprung hat die Serien bereits in der hierzulande unbekannten Tomodachi Collection aus dem Jahre 2009. Doch was ist Tomodachi Life? Das ist schwer zu beschreiben. Im Grunde ist es eine stark vereinfachte Variante des Sims-Spielprinzips. Vereinfacht bedeutet aber nicht schlechter. Bewusst beschränkt man sich im Hause Nintendo auf die Interaktionsmöglichkeiten zwischen den Inselbewohnern. Komplexes Beiwerk wie Hausbau oder Kleidungsauswahl sind zugunsten des schnellen Spieleinstiegs beschnitten worden.
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So gibt es Wohnungseinrichtungen nur als Gesamtkonzepte und Outfits werden auch am Stück verscherbelt. Leider lässt sich die Insel, auf der ihr Quasi allmächtig schalten und walten dürft, aus diesem Grunde auch nicht individuell verschönern, wie bei Animal Crossing, um nur ein Beispiel zu nennen. Schlussendlich beschränkt sich das Eingreifen des Spielers auf das treffen wichtiger Entscheidungen im Leben der Miis und darauf, die Bewohner der Insel mit Nahrung, Kleidung und vielerlei toller Spielereien zu versorgen. Abseits davon kann man beispielsweise eigene Songtexte kreieren und diese von den Miis interpretieren lassen. Das Geschehen auf der Insel spielt sich wie von selbst ab. So als ob man eine Telenovela schaut. Nur eben mit den Miis Eurer Freunde und Familie und wen auch immer Ihr auf Eure Insel einladet und vor allem mit der Extraportion Wahnsinn.
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Alles was zählt!
Gesteuert wird das Ganze ausnahmslos in Menüs über den Touchscreen. Einfach und effizient, für diese Art von Spiel. Erfreulicherweise wurden alle Features der Nintendo-3DS-Hardware, sprich Kameras, AR-Karten, Bewegungssensor, Touchscreen und Mikro eingebunden. Sei es in Minispielen, zu denen Ihr von den Mii-Protagonisten herausgefordert werdet, oder wenn Ihr Euch in den vier Wänden der Inselbewohner umschaut. Dabei gilt, alles kann, nichts muss, sodass niemand zu umständlichen Verrenkungen mit dem Gyrosensor gezwungen wird. Technisch zeigt sich der der mobile Bruder des Dschungel-Camps auf das nötigste reduziert. Keine aufwändigen Grafikspielereien und vielerorts lieber gute 2D-Sprites als grobkörnige Polygondarstellungen. Diese einfache grafische Präsentation ist vielleicht kein Meisterstück aber sie passt zum Stil von Tomodachi Life. 3D-Darstellungen auf dem Topscreen sind schönes Beiwerk doch meist eher unspektakulär. Der Sound ist ebenso nur zweckmäßig geraten. Keine Ohrwürmer dabei.
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Ein grundlegendes Element von Tomodachi Life sind die Computerstimmen, mit denen die Miis sprechen. Für jeden neuen Mii legt der Spieler zu Beginn die Stimme fest. Dabei lassen sich etliche Elemente wie Sprachgeschwindigkeit, Stimmlage und Intonation variieren. Nie wird man die Originalstimme des menschlichen Alter-Egos perfekt imitieren. Das Resultat ist eine überspitzte Verballhornung prominenter Eigenheiten in der Sprache des realen Vorbildes Eurer Miis. Auf diese Weise verleiten die Computerstimmen bei fast jedem Satz zu einem Schmunzeln bis hin zu Lachkrämpfen. Glücklicherweise hat man bedacht, dass viele Wörter und gerade Eigennamen oft anders ausgesprochen als geschrieben werden. Darum kann man zu vielen Phrasen neben der Schreibweise auch die Lautschrift angeben. Das verhindert allzu peinliche Aussetzer der Miisprache. Regelrecht antiquiert wirkt indes die manuelle Speicherfunktion. Wer vor Spielabbruch vergisst, aus "Speichern" zu klicken, muss mit einer Amnesie des 3DS leben.
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Wie umfangreich Tomodachi Life am Ende ist, liegt vor allem in der Hand des Spielers. Es gibt sehr viele Items und Outfits doch das allein ist noch kein Garant für ein langanhaltendes Spielerlebnis. Via Spot- und StreetPass finden neue Bewohner und Items den Weg auf die Trauminsel. Es ist bedeutsam, den Titel von Anfang an als Pausenfüller zu betrachten. Denn so kann man das volle Potential ausschöpfen. Wer immer wieder kleine Sessions auf der Insel einlegt, zum Beispiel in Bus und Bahn, wird immer wieder unterhalten. Lange Spieleabende kann Nintendos Lebenssimulation allerdings nicht füllen. Gerade weil einige Events sich recht schnell erneut abspielen. Das Spielerlebnis basiert auf den Miis, die der Spieler auf der Insel wohnen lässt. Sie machen die Momente so wunderbar abstrus und individuell. Je verrückter die Auswahl, umso spaßiger das Inselleben. Wer etwas erleben will, muss mit unterschiedlichen Miis, Items und Situationen experimentieren. Ohne diesen Forschergeist ist Tomodachi Life nur eine leere Hülle. Darum gilt es von Anfang an, viele Miis ins Paradies zu holen. Denn nur mit vielen Bewohnern ist das Eiland ein Ort kreativer Abstrusität. Eine Horde Miis ist mehr, als das Ganze ihrer Gemeinschaft. Egal ob der Traum von Familienidylle mit erfülltem Kinderwunsch oder feierwütige Popstars. Jedes Mii wird seinen Weg gehen und einer ist unvorhersehbarer als der andere.
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Fazit
Ich denke, ich konnte verdeutlichen, worum es sich bei Tomodachi Life handelt. Egal, ob Ihr jetzt bescheid wisst oder noch immer kein Bild von der 3DS-Telenovela habt, ich kann nur raten, es selbst zu probieren. So individuell wie jeder Spieler ist auch das Erlebnis von Tomodachi Life. Wer kein abendfüllendes Programm sucht, sondern den kleinen Ausflug in den Wahnsinn für zwischendurch, der findet, was er sucht. Die Bereitschaft, die technischen Ansprüche hintenanzustellen und der Wille, Dinge einfach auszutesten, machen aus Tomodachi Life einen wahren Dauerbrenner, den Ihr so schnell nicht aus dem Modulschacht verbannen werdet.
«Jojo» Singleplayer: 80%

Verfasst von «Jojo» am 29.06.2014,
bemustert durch Nintendo
für bis zu 1 Person/en
Release am 06.06.2014