Cover: Chess UltraSchach wurde vor ca. 1500 Jahren erfunden und hat seitdem schon viele Generationen von Spielern in seinen Bann gezogen. Es ist ein faszinierendes Spiel, denn die Grundlagen sind leicht zu verstehen, kann aber auf hohem Niveau gespielt, sehr komplex werden. Auch heute erfreut sich das Brettspiel noch immer größter Beliebtheit, und dank Internet ist es so einfach wie nie zuvor, es zu erlernen und zu spielen. Mit Chess Ultra bringt Entwickler Ripstone das königliche Spiel nun auch auf die Nintendo Switch.

Chess Ultra ist aber nicht bloß eine rudimentäre Schach-App, sondern legt besonderen Fokus auf Atmosphäre und Optik. Bevor man eine neue Partie beginnt, kann man zwischen vier schönen und detailreichen 3D-Schauplätzen wählen.

Wählt man Woodburn Manor, befindet man sich am Kamin einer rustikalen Villa. In Musei Capitali spielt man seine Partie in einem italienischen Museum der Renaissance. Mulholland ist ein exklusives Apartment in Hollywood und Gomorrha ein kerzenbeleuchteter Schauplatz im Nirgendwo, bei dem man das Gefühl bekommen kann, der Ausgang des Schachpartie entscheide über das Schicksal der Welt.
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Die Schauplätze sind grafisch allesamt sehr schön in Szene gesetzt, jeder hat seine ganz eigene Wirkung und trägt zum Spielgefühl bei. Die Tische, auf denen die Schachbretter stehen, sind mit für das Setting typischen Gegenständen bestückt, und wenn man die Kamera umherbewegt, kann man sich auch die sehr detailreiche Umgebung anschauen. Jeder Schauplatz hat außerdem seine eigene musikalische Untermalung. In Woodburn Manor hört man den Kamin im Hintergrund knistern, in Mulholland spielt Lounge-Musik und in Gomorrha kann man schaurigen Winden lauschen. Die Musik ist stimmig und atmosphärisch, aber standardmäßig sehr laut und kann mitunter die Konzentration stören. Zum Glück lässt sich die Lautstärke im Optionsmenü herunterdrehen.
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Die Schachfiguren lassen sich optisch verändern, hier stehen ebenfalls vier Varianten zur Verfügung: Zwei klassische Figurensets, das Checkers-Set mit flachen Steinen sowie das Fantasy-Set "Fire & Brimstone". Letzteres ist sehr detailreich gestaltet, allerdings sind die einzelnen Figuren im Spiel nur schwer voneinander zu unterscheiden. Jedes Figurenset gibt es obendrein noch in verschiedenen Ausführungen (Holz, Metall, Plastik, etc). Die Animationen der Züge sind im Vergleich zur restlichen Aufmachung unspektakulär, aber flüssig und zweckmäßig.
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Single- und Multiplayer
Die Optik ist dem Spiel zweifelsfrei gelungen und bei den verschiedenen Wahlmöglichkeiten dürfte für jeden etwas dabei sein. Aber in einem Schach-Videospiel kommt es natürlich vor allem auf das Gameplay an sich an. Auch hier lässt Ripstone - das vor einigen Jahren bereits den Quasi-Vorgänger Pure Chess für 3DS und Wii U entwickelte - mit verschiedensten Modi kaum Wünsche offen.
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Wer gegen den Computer spielt, kann zwischen 10 Schwierigkeitsstufen wählen (von "Novice" bis "Grandmaster"). Die KI wurde laut Ripstone sogar von zwei englischen Schachgroßmeistern auf ihre Authentizität getestet. Im lokalen Multiplayer hat man die Möglichkeit, die Switch wie ein echtes Schachbrett zu benutzen. Die Kontrahenten setzen sich also gegenüber und legen die Switch waagerecht zwischen sich auf den Tisch. Jeder benutzt einen Joy-Con, um seine Züge zu machen, und sobald der Gegner dran ist, dreht sich das Interface automatisch in seine Richtung - die Switch-Funktionen werden hier richtig clever eingesetzt. Wenn man sich am TV duelliert, kann man aber komischerweise nur einen Controller benutzen (der dann für jeden Zug an den Gegner weitergereicht werden muss), was keine besonders schlaue Lösung ist.
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Online kann man sowohl gegen Freunde als auch gegen Zufallsgegner spielen. Zudem besteht die Möglichkeit, Zufallsgegner, gegen die man vor kurzem gespielt hat, zu einer Revanche herauszufordern. Ein tolles Feature, denn so kann man Spieler, gegen die man besonders gerne spielt, leicht wiederfinden.
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Der Online-Modus unterstützt Crossplay mit der PC- und Xbox One-Version von Chess Ultra, nur Sonys PlayStation 4 verweigert sich. In den Tagen direkt nach dem Switchversions-Release war der Online-Modus recht gut bevölkert und es dauerte nie mehr als ein paar Minuten, bis ein Gegner gefunden wurde. Die Online-Spiele laufen flüssig ab und funktionieren prächtig. Ich vermisse allerdings eine Notification-Funktion, mit der man informiert wird, sobald ein Gegner seinen Zug gemacht hat. Dies wird zwar im Auswahlbildschirm angezeigt, aber wenn man mehrere Partien gleichzeitig spielt, muss man immer ins Hauptmenü wechseln, um nachzusehen.
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Wie im echten (Profi-)Schach auch, hat man ferner eine sogenannte Elo-Wertung, die bei gewonnenen Partien steigt und bei verlorenen Partien sinkt. Das Matchmaking versucht daher, euch Gegner mit ähnlicher Elo-Zahl zuzuweisen, damit die Begegnungen auf ungefähr demselben Niveau stattfinden. Über alle EinzelspieIer-Modi verteilt kann man bis zu sechs Partien gleichzeitig spielen. Beendete Partien bleiben auf dem Auswahlbildschirm bestehen - bis man sie löscht - und lassen sich so weiterhin auswählen. Man kann die Partien dann zurückspulen und sich die gemachten Spielzüge nacheinander anzeigen lassen, was hilfreich sein kann, wenn man seine Fehler analysieren möchte. In Spielen gegen die KI kann man diese Rückspul-Funktion auch während eines laufenden Spiels verwenden.
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Schachuhr und Kameraoptionen
Es stehen verschiedene Timer-Optionen zur Verfügung. Für Online-Matches in Echtzeit empfiehlt sich der Standard-Timer, bei der jeder Spieler 45 Minuten Bedenkzeit pro Spiel hat. Daneben gibt es noch den Blitz-Modus (5 Minuten pro Spiel) sowie den speziellen Fischer-Modus. Sogar ein Marathon-Modus lässt sich auswählen, bei dem man bis zu 24 Stunden Bedenkzeit pro Zug hat - praktisch eine moderne Variante des früheren Fernschachs.
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Während eines Spiels kann man durch Drücken von Y jederzeit zwischen drei Kameraperspektiven wechseln. In der Standardperspektive blickt die Kamera von schräg oben aufs Schachbrett, ähnlich dem Blickwinkel, wenn man an einem echten Schachbrett spielt. Hierbei kann man mit dem rechten Stick Kamerahöhe und -winkel verändern und die Position durch drücken des rechten Sticks fixieren lassen. Zudem kann man mit ZR und ZL herein- bzw. herauszoomen.
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Die zweite Perspektive ist sehr nah hereingezoomt. Die Kamera ist auf dem Feld fixiert, auf dem man gerade mit dem Cursor liegt, und bewegt sich mit dem Cursor mit. Auch hier kann man die Kamerahöhe verstellen und die Kameraposition um ganze 360° rotieren. Dafür kann man nicht das ganze Spielbrett überblicken, was beim Spielen natürlich eher hinderlich ist.
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Die dritte Perspektive ist eine Top-Down-Ansicht auf das Spielbrett. Bei manchen Figurensets lassen sich aus dieser Perspektive die Unterschiede zwischen den Figuren nur schwer erkennen. Verwendet man jedoch das Checkers-Set, erhält man die Replikation einer 2D-Ansicht, wie man sie von vielen Schachwebseiten gewohnt ist, was Schachpuristen sicher erfreuen dürfte.
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Die Default-Kamera ist zweifelsfrei die sinnvollste Perspektive, für meinen Geschmack aber standardmäßig zu weit herausgezoomt. Anpassen ist möglich, aber dass man sowohl für das Drehen als auch das Fixieren der Kamera den rechten Stick benötigt, ist in der Praxis eher hinderlich - ein anderer Button zum Fixieren wäre sinnvoller gewesen. Besser funktioniert das Ausrichten per Touchscreen, was aber natürlich nur im Handheld-Modus möglich ist. Dies sind kleinere Unstimmigkeiten, im Großen und Ganzen erfüllt die Kamera aber durchaus ihren Zweck.
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Weitere Modi
Neben dem üblichen Einzelspiel sind auch noch weitere Spielmodi an Bord. Im Turnier-Modus kann man seine Freunde zu Schachturnieren nach dem K.O.-System herausfordern. Man darf an drei Turnieren gleichzeitig teilnehmen, außerdem gibt es in regelmäßigen Abständen auch offiziell von Ripstone ausgetragene Turniere.
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Für Schach-Einsteiger bietet Chess Ultra ein Tutorial, das in kurze Lektionen unterteilt ist. Zunächst werden die grundlegenden Schachregeln erklärt, in späteren Lektionen werden auch komplexere Spielzüge und einige Eröffnungen und Endspiele behandelt. Informationen werden mittels Textboxen präsentiert und müssen zum erfolgreichen Abschließen einer Lektion meistens im Anschluss angewendet werden. Das Tutorial ist eine sinnvolle Ergänzung und eignet sich gut dazu, Anfängern die Basics und ein Gefühl für Schach näherzubringen, kratzt aufgrund der Komplexität des Spiels jedoch nur an der Oberfläche.
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Obendrein gibt es noch ganze 80 Herausforderungs-Aufgaben zu lösen, in denen man eine Spielsituation vorgegeben bekommt und den Gegner in einer vorgegebenen Anzahl an Zügen schachmatt setzen muss. Während die Lösungen bei "Matt in einem Zug" noch sehr einfach zu finden sind, sieht das bei "Matt in sieben Zügen" schon ganz anders aus - auch hier kommen also sowohl Laien als auch hartgesottene Schachprofis auf ihre Kosten.
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Besonders interessant sind die historischen Herausforderungen. Die Aufgabenstellung bleibt die gleiche - man startet im Endspiel und muss in einer bestimmten Anzahl an Zügen Matt setzen - aber diese Aufgaben sind nicht bloß erdachte Schachprobleme, hier werden einige der bekanntesten und schönsten Schachpartien aller Zeiten nachgestellt. Man schlüpft in die Rolle von legendären Spielern wie Anderssen, Steinitz oder Fischer und darf ihre Partien vollenden. Das Ganze wird mit informativen Beschreibungen zu den jeweiligen Partien ergänzt - ein Schmankerl für Schachliebhaber.
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Fazit
Chess Ultra punktet sowohl mit detailreichen und atmosphärischen Umgebungen als auch mit großem Umfang und vielen Anpassungsmöglichkeiten. Der Online-Modus funktioniert reibungslos und die Entwickler haben sich Mühe gegeben, die Funktionen der Switch zu nutzen. Ein paar kleine Schwächen erlaubt sich das Spiel zwar, doch alles in allem überzeugt es als stimmiges Gesamtpaket. Schachinteressierte werden damit definitiv ihren Spaß haben - und dürfen getrost zuschlagen.
«CaptainOlimar» Singleplayer: 80%
Multiplayer: 85%


Verfasst von «CaptainOlimar» am 08.11.2017,
bemustert durch Ripstone
für bis zu 2 Person/en
Release am 02.11.2017